Fürther Schüler als UN-Diplomaten

23.11.2014, 21:00 Uhr
Fürther Schüler als UN-Diplomaten

© Foto: Schulz

Sie sitzen in Anzug und Krawatte, Rock und Blazer in einem Plenarsaal, an jedem Platz ein Mikrofon, ein Stapel Unterlagen und poliertes Holzfurnier. Gemeinsam haben die rund 300 Jugendlichen den Nordpol aufgeteilt, ein unabhängiges Expertengremium zur Genehmigung von Militärinterventionen einberufen und mit Nordkorea den Abbau von Atomwaffen vereinbart.

Tatsächlich sitzen sie lediglich im Europäischen Patentamt in München, doch in Gedanken sind sie in New York: Mit acht Schülern stellte das Helene-Lange-Gymnasium (HLG) beim Planspiel dieses Jahres zum ersten Mal fränkische Diplomaten in spe. Zusammen mit Organisator Stephan Sprenger hatten sich die Schüler der Jahrgangsstufen zehn, elf und zwölf ausführlich darauf vorbereitet, gleich zwei Delegationen zu mimen.

Was denken die Dänen?

Als dänische und italienische Gesandte müssen sie nun die adäquate politische Haltung permanent abrufen können. Was zum Beispiel hält Italiens Regierungschef Mario Renzi von weitreichenden Anti-Diskriminierungsgesetzen für Homosexuelle? Was gilt in der dänischen Außenpolitik als erfolgversprechende Entwicklungsstrategie für Somalia? Brennende Fragen der realen Weltpolitik von atomarer Abrüstung bis Wirtschaftspolitik in einzelnen Gremien zu diskutieren, das auch noch auf Englisch und mit allen Formalien der UNO-Protokolle – für Sven Winter war es eine „einmalige Erfahrung“. Dem 16-jährigen Botschafter der dänischen Delegation hat die Simulation einen „völlig neuen Blick auf derartiges Arbeiten“ eröffnet.

Eine Art des Arbeitens, die auch Jennifer Beyer, 18 Jahre alt und im wirklichen Leben bei der Kommunalwahl dieses Jahres Grünen-Kandidatin für den Fürther Stadtrat, zu schätzen gelernt hat: Gerade wegen ihrer sehr formalen Rede- und Abstimmungsordnungen sei sie eine außergewöhnliche demokratische Errungenschaft.

Große Herausforderung

Georg Spiegel, als begleitender Lehrer selbst in die Konferenz eingebunden, beeindrucken die Ergebnisse der vier Tage in der Landeshauptstadt: Die Resolutionen, die am Ende das „Resolution booklet“ der Generalversammlung füllten, zeigten, wie engagiert das Für und Wider debattiert wurde. Und nebenbei, so Spiegel, wie „schnell die Schüler in ihre Rollen geschlüpft sind, obwohl das ja eine wirklich große Herausforderung ist“.

Darüber hinaus interessierte ihn die UN-Woche, die die Europäische Schule München veranstaltete, auch aus ganz pragmatischen Erwägungen: Im Rahmen eines Projektseminars möchte Spiegel eine derartige Modell-United-Nations-Konferenz mit Helene-Lange-Schülern in Fürth ausrichten. Die Idee entwickelte er bereits, nachdem er sich vor dem jetzigen Projekt in das Konzept eingelesen hatte. An der heimischen Schule will er das Ganze jedoch erst einmal in etwas kleinerem Rahmen aufziehen. Als Zielgruppe stellt er sich Gymnasien im nordbayerischen Raum vor.

Passt ein derart ambitioniertes Vorhaben zu einer Schülergeneration, der immer wieder das Etikett „Politikverdrossenheit“ verpasst wird? Durchaus, meint Georg Spiegel. Weniger interessiert als den durchschnittlichen Erwachsenen erlebe er die heutige Jugend ohnehin nicht. Und selbst wenn man es mit dem Nachspielen internationaler Politik vielleicht nicht schaffen sollte, politikmüde Schüler für sich zu gewinnen, könnten die Teilnehmer selbst sehr wohl etwas bewegen: Spiegel sieht die jungen Diplomaten auf Zeit als Multiplikatoren, die tagesaktuelle Themen sowie das Interesse daran in ihren Freundeskreis hineintragen können.

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