Fürther Stadt(ver)führungen mit musikalischem Akzent

25.9.2016, 20:11 Uhr
Fürther Stadt(ver)führungen mit musikalischem Akzent

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Stadtführungen laufen meist nach diesem Prinzip ab: Einer führt durch die Straßen, zeigt, erklärt. Und die anderen folgen, schauen, hören zu. Stadt(ver)führungen hingegen involvieren die Besucher, verlocken sie zum Mitmachen, zum Gedankenaustausch, zu eigener Produktion.

Ein Experiment in dieser Reihe wagten nun Uwe Kramer und Bärbel Bachmann-Leitmeir. Ihre Idee: die Besucher zum Singen zu bewegen. Da gilt es natürlich, kleine Hürden zu überwinden. Nicht jeder traut sich, doch je zahlreicher die Gäste, je bekannter das Lied, umso größer die Bereitschaft. Natürlich spielen auch Melodie und Textsicherheit eine wichtige Rolle. Vor allem aber: „Es kommt auf die Gemeinschaft an, nicht auf Schönheit“, postuliert die Stadtverführerin.

Start am Grünen Markt beim Gauklerbrunnen: Uwe Kramer hat bereits seine Gitarre ausgepackt, Bärbel Bachmann-Leitmeir verteilt zwei Bögen mit den Liedtexten an das gute Dutzend Zuhörer, erzählt vom fahrenden Volk, und wen die Gaukler und Minnesänger einst so unterhalten hatten, nämlich in erster Linie die Ritter. Und schon geht’s los mit Karl Valentins „Oidn Rittersleut’“, in deren Rüstung oft genug der Blitz dreinschlug.

Einige Meter weiter, am Amtshaus, intoniert die Truppe, schon mutiger geworden, das Fürther Lied, worin Kaiser Karl eine Furt sucht und findet. Dann leben die 1950er Jahre auf. Vor dem Gelben Löwen in der Gustavstraße huldigt das singende Dutzend dem damaligen Jungsänger Freddy Quinn mit „Junge, komm bald wieder“. Seefahrt tut not, und die Gäste, die in der Gustavstraße bei Bier und Weinschorle den Abend genießen, reiben sich verwundert Augen und Ohren ob des Süßwasserchores.

Gipfel des Heimwehs

Eine Ecke weiter, in der Waagstraße neben dem bald schließenden Lim-Haus, erklimmt das Heimweh einen weiteren Gipfel der Sehnsucht: Udo Jürgens’ „Griechischer Wein“ und die Sehnsucht nach Zuhause treiben schier die Tränen in die Augen. Jetzt aber schnell mit etwas Fröhlichem gegensteuern, etwa mit dem hebräischen Segenswunsch „Hevenu schalom alejchem“, also „Wir wünschen Frieden euch allen“, schließlich war Fürth nicht umsonst die größte jüdische Gemeinde in Süddeutschland über die Jahrhunderte.

Schlusspunkt Waagplatz mit dem ehemaligen Roten Ross, heute Irish Pub. Hier treffen sich urdeutsches Liedgut und britische Shanties: „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt“ geht immer noch so glatt über die Zunge wie einst in der Grundschule. Dafür stellen wir fest, dass uns einst bei der Ballade vom „Drunken Sailor“ und dessen Wiederbelebungen die letzte Strophe vorenthalten wurde: „Put him in the Bed with the Captains Daughter“. War wohl zu jugendgefährdend damals.

Kichernd und zufrieden gehen die Besucher auseinander. Das hat Spaß gemacht. Und nächstes Jahr im Mai geht es weiter, diesmal mit einer längeren Strecke und noch mehr Liedern, verspricht Bärbel Bachmann-Leitmeir.

Prominente Unterstützung erhielten die Organisatoren der Stadt(ver)führungen von Christian Schmidt, der als Bundeslandwirtschaftsminister schon von Berufs wegen täglich mit dem Thema Macht zu tun hat. Er führte gestern rund 30 Interessierte zu den markanten Spuren, die jüdische Bürger in ihrer Heimatstadt hinterlassen haben. Vom Ausgangspunkt Berolzheimerianum ging die gut einstündige Tour vorbei am Stadttheater, dessen Bau auch zu über der Hälfte von dem Geld jüdischer Spender finanziert wurde, zu Nathanstift und Krautheimer Krippe.

10 Kommentare