Fürther Südstadt: Krähen machen Krach

23.6.2018, 06:00 Uhr
Fürther Südstadt: Krähen machen Krach

© Foto: Soeren Stache/dpa

Wo Kaiser- und Sonnenstraße aufeinandertreffen, ist die Südstadt weniger steinern als sonst. Hohe Platanen umringen die Heinrichskirche. Es ist ein Ort zum Durchatmen, eine kleine Oase. Doch so empfinden das nicht mehr alle Leute, die hier wohnen. Denn die Bäume sind das Zuhause einer wachsenden Krähenkolonie. Beim Landesbund für Vogelschutz spricht man von der wohl größten Kolonie in Stadt und Landkreis (siehe Artikel nebenan).

Doris Mayer betreibt seit 22 Jahren ein Friseurgeschäft nahe St. Heinrich. Die schwarz gefiederten Vögel und ihr "lautes Konzert da draußen" sind in ihrem Salon Dauerthema. Von Kunden weiß die 55-Jährige, dass sich in den Baumwipfeln vor drei Jahren zwei bis drei Nester befanden, inzwischen sind es viel mehr: Ihre Kunden haben 21 gezählt, als die Platanen unbelaubt waren, der LBV 24. Wenn Mayer beim Föhnen aus dem Fenster schaut, blickt sie immer wieder auf Passanten, "die stehenbleiben und nach oben gucken, weil sie sich fragen, wo der Krach herkommt".

Kurze Nachtruhe

Heike Miedaner wohnt wenige Häuser weiter. Als Gymnasiallehrerin muss die 42-Jährige unter der Woche gegen halb sieben aufstehen. Mit ihrer Nachtruhe aber ist trotz geschlossener Fenster oft schon kurz nach fünf Uhr abrupt Schluss. Miedaner versucht dann, mit Ohrstöpseln noch etwas Schlaf zu finden. Sie lebt seit elf Jahren in der Südstadt. Seit einem Jahr fühlt sie sich von den Vögeln, die am frühen Morgen und in der Abenddämmerung besonders aktiv sind, bis zur Verzweiflung belästigt. "Ich habe nette Nachbarn und wohne gern in meinem Viertel, aber ich weiß nicht, ob ich hier noch mal eine Wohnung kaufen würde."

Im Rathaus ist das Thema bekannt. Einige Fürther haben sich dort über die Krähen beklagt, über den Krach und über den Kot, den die Tiere hinterlassen. "Es ist keine Besonderheit, dass sich Anwohner bei uns über die Natur beschweren", sagt Jürgen Tölk, stellvertretender Leiter des Amtes für Umwelt, Ordnung und Verbraucherschutz. Mal geht es um Hühner in der Landmannstraße, mal um Stare am Löwenplatz und nun um Krähen an der Heinrichskirche. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz aber sei die Krähe als europäische Vogelart besonders geschützt. Heißt: Die Stadt darf sie nicht ohne Ausnahmegenehmigung durch die Regierung von Mittelfranken vergrämen, fangen, töten oder ihre Gelege zerstören.

Tölk hat sich kundig gemacht, wie andere Städte Probleme mit Krähen lösen. Sein Fazit: "Es gibt kein Patentrezept." Weil sich die Vögel gern im Umfeld von Abfallbehältern niederlassen und sich an weggeworfenen Nahrungsmitteln gütlich tun, erwägt seine Behörde, die Abfallbehälter rund um St. Heinrich nach dem Vorbild München durch "krähensichere" Modelle mit verkleinerter Einwurföffnung zu ersetzen. Bevor solche Maßnahmen ergriffen werden, möchte Tölk noch Experten-Einschätzungen einholen. Zurzeit verschaffen sich seine Leute ein Bild von der Lage. "Wir sind in der Phase der Bestandsaufnahme."

Auf der Hardhöhe ist diese bereits abgeschlossen. Im Frühjahr 2017 wurde dort eine "beginnende" Krähenplage an der Philipp-Reis-Straße beklagt. Das hatte keine Konsequenzen. Weder Tölks Außendienst noch der Jagdbeauftragte konnten dort eine Krähen-Plage erkennen.

Mülleimer schwer zugänglich

Auch nicht jeder Nachbar von St. Heinrich empfindet die Krähen als Belästigung. Zumindest hat der stellvertretende Schulleiter des Hardenberg–Gymnasiums, Uwe Laux, noch keine Klagen von Schülern oder Lehrern gehört. "Dabei ist unser Neubau keine fünf Meter weg von der nächsten Platane." Laux räumt allerdings ein, dass sich das Schulleben weder in den frühen Morgen- noch in den späten Abendstunden abspielt.

Als Biologielehrer beobachtet er die gefiederten Bewohner der Platanen mit Interesse. Er glaubt wie die LBV-Experten auch, dass hier rund 80 Saatkrähen eine Kolonie bilden und im Schwarm auf Futtersuche gehen. An den Abfalleimern auf dem Schulhof scheinen sie sich nicht zu bedienen, Laux hat dort noch keine Krähe gesehen. Das könnte daran liegen, dass die Mülleimer hoch, schmal, teils bedeckt und somit für die Vögel kaum zugänglich sind. Zum Schutz vor Tauben oder Ratten werden sie auch ein bis zweimal täglich geleert. Das Hardenberg macht es hungrigen Tieren sowieso nicht leicht. Nach jeder Pause klauben Siebtklässler mit Greifern Essensreste vom Boden des Schulhofs auf.

Zuletzt wurde es etwas ruhiger um St. Heinrich. Friseurin Mayer traut dem Frieden nicht. "Wir dachten schon öfter, die Krähen sind weg, aber dann waren sie doch wieder da", sagt sie. Und: "Gott sei Dank wohn’ ich nicht hier, sondern im Ronhof."

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