Fürther "Umsonst und draußen"-Open Air: Hühner auf der Flucht vorm Topf

30.5.2017, 16:20 Uhr
Fürther

© Foto: Giulia Iannicelli

Umsonst und draußen - und für viele Geschmäcker etwas dabei: Musik zum Abtanzen hier, dort eher zierliche Weisen mit Gitarrenbegleitung als Hintergrund für den Sandburgenbau. Da treffen Azubis auf Rentner, kampferprobte Eltern bringen die Kinder mit, die für alle Fälle Ohrenschützer in schreiendem Pink angelegt haben. Zwar, für Essen und Trinken muss man – so war es neun Jahre lang, und so ist es selbstredend auch diesmal – zahlen, dafür gab es bei der zehnten Auflage des Open Airs Kaiserwetter gratis. Nur linder Schatten im Lindenhain, der blieb diesmal eher Mangelware. Jedenfalls bis zum Abend.

Einen eher knochenzermalmenden Sound pflegte die Truppe Corinore aus Abensberg mit schwerem Doomsday-Gebrumm. Wer seine Trommelfelle schonen wollte, fand Zuflucht hinterm Erdwall in der großen Sandkiste der "Akustik-Piratenbucht". Das war strategisch gut überlegt, denn immer, wenn die Hauptbühne Umbaupause hatte, durfte ein Solist die Minibühne vor dem Sandkasten entern, um dort seine Songs vorzutragen. Wie etwa Punkrocker Kris Rocket, der Allvater Bob Dylan rauf und runter gehört hat.

Herzerfrischend

Oder wie Crispy Jones, der auch gern an der Seite eines Akkordeonspielers und neben Begleitsängerin Kathi Bearbeitungen von Songs vortrug, deren Originalversion man lange bis gar nicht zu erraten vermochte. Der Witz an der Sache: Crispy Jones besingt mit der herzerfrischenden Naivität und dem Pathos eines frühen Achtzigerjahre-Liedermachers die banalsten Dinge. Zum Beispiel Kuchen und Torten und deren individuelle Vorzüge.

Sobald der Sättigungsgrad an süßen Sentimentalitäten überschritten ist, geht’s eben wieder nach vorne. Etwa zu den niederbayerischen Hellabama Honky Tonks, die mit elektrisch verstärktem Erdbeben-Kontrabass furiosen Rockabilly zelebrieren, Hühner auf der Flucht vor dem Kochtopf besingen ("Run, Chicken, Run") oder den Tangaslip ihrer Freundin in Leopardenfleck-Muster begutachten ("Leo Strip Sally").

Kann man Rockabilly steigern? Aber sicher doch: Die Psychonautics kommen nicht aus Berlin-Kreuzberg, sondern aus dem kreuzbraven Basel. Aus der Stadt, in der ein experimentierfreudiger Chemiker namens Albert Hoffmann einst das LSD destilliert hatte. Das klingt gar nicht lässig oder entspannt, sondern so rasant wie Country-Cowboys im Rodeo auf einem brünstigen Hengst, dem man ein paar Amphetamine zu viel verabreicht hat. Dazu ein Sänger mit einer Schmirgelpapierstimme, dem Lemmy Kilmister selig die goldene Raspel verehren würde.

Ein Rätsel bleibt, wie man zu solcher Musik still im Gras sitzen bleiben kann. Vielleicht war das Bier zu stark, das Steak zu gehaltvoll? Oder die Ohren zu bedröhnt? Egal, jeder hatte im Lindenhain seinen Spaß, und das zum zehnten Mal ganz umsonst und draußen.

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