Fürther zum Brexit-Drama: "Jetzt muss das Volk wieder ran"

18.1.2019, 16:08 Uhr
Fürther zum Brexit-Drama:

© Foto: Dominic Lipinski/dpa

"Das ist das absolute Chaos." Victoria Hufmann schafft es, gefasst und fassungslos zugleich zu klingen, als die FN anrufen. Vielleicht, weil das Chaos schon so lange anhält.

Dass das Parlament den Deal ablehnte, habe sie nicht überrascht, sagt sie. Allenfalls, dass die Mehrheit so groß war. So ungewiss damit alles bleibt: Hufmann schöpft aus dem Dilemma, in dem sich das Land nun befindet, ein wenig Hoffnung – auf ein zweites Referendum.

Die 47-jährige Engländerin, die seit 1994 in Deutschland lebt und im Verlagswesen tätig ist, gehört zu den "Remainers", zu jenen Briten also, die sich einen Verbleib in der EU wünschen. Von Anfang an hielt sie die Entscheidung für den Brexit für falsch: Viele Menschen hätten 2016 gar nicht verstanden, was auf dem Spiel steht. "Es wurden Versprechen gemacht, die niemand halten kann."

Jetzt müsse man "zurückgehen zum Volk", findet Hufmann. Manche, sagt sie, argumentieren, es sei undemokratisch, die erste Entscheidung der Bürger infrage zu stellen. Sie aber ist überzeugt: "Es wäre undemokratisch, es nicht zu tun. Jetzt weiß man, worum es geht." Die Fragestellung müsste diesmal komplexer sein. Wollen die Wähler den ausgehandelten Deal? Keinen Deal? Oder keinen Brexit?

Im echten Leben, so Hufmann, kehre man doch auch um, wenn man merkt, man hat einen Fehler gemacht. "Wenn ein Parlament es nicht lösen kann, muss das Volk wieder ran. Wir brauchen Klarheit." Zumal das Land sich auch dringend um andere Probleme kümmern müsse. Es gebe viel Armut; die Zahl der Obdachlosen etwa ist enorm hoch, fast 600 Obdachlose starben 2018 in England und Wales.

Eine zweite Volksabstimmung könnte durchaus anders ausgehen, glaubt sie. Auch weil sich die demografische Zusammensetzung verändert hat. Ältere Wähler sind gestorben, dafür kommen viele junge Wähler dazu, die 2016 noch nicht mitstimmen durften.

Hufmann sorgt sich, welche Folgen der Brexit für ihr Land haben wird. Sie selbst muss nicht bangen, Fürth verlassen zu müssen – seit 2015 hat sie zusätzlich den deutschen Pass.

Folgen sind schon spürbar

Beunruhigt blickt auch Michael Winter, geschäftsführender Gesellschafter der Firma uvex, nach Großbritannien. Die größte Auslandstochter des Sportartikelherstellers hat ihren Sitz in der Nähe von London. Sie bekommt die Folgen des Brexit-Votums seit längerem schon zu spüren. Das Pfund hat stark an Wert verloren, was die uvex-Produkte, die in Deutschland hergestellt und zu Euro-Preisen eingekauft werden, deutlich teurer gemacht hat. "Wir sind durchaus mit wirtschaftlichen Problemen konfrontiert", sagt Winter. Die britische Tochtergesellschaft habe bereits reagieren und Arbeitsplätze reduzieren müssen. Eine der Sorgen, die Winter umtreiben, ist, dass die Artikel zu teuer für die britischen Verbraucher werden könnten, wenn nach dem EU-Austritt Zölle erhoben werden.

Vor allem aber für die Briten selbst wird der Brexit harte Folgen haben, glaubt er und denkt an die Konjunktur und die Inflation. Winter kann sich ebenfalls vorstellen, dass es vielleicht zu einem neuen Referendum kommt. "Ich bin sicher, dass es anders ausgehen würde." Viele Menschen hätten damals vermutlich gehofft, etliche EU-Privilegien behalten zu können. "Aber die EU muss hart bleiben." Sonst sei das Konstrukt samt seiner Währung bald am Ende.

Betroffen gemacht hat die Ablehnung des Brexit-Deals den Fürther CSU-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Großbritannien und Irland ist. "Ein harter Brexit nützt niemandem", schreibt Schmidt in einer Pressemitteilung. "Die EU, vor allem aber das Vereinigte Königreich hätten politisch und wirtschaftlich nur Nachteile. In dieser verfahrenen Situation müssen alle Beteiligten pragmatisch handeln."

Die EU müsse ernsthaft überlegen, den Briten mehr Zeit zu geben, um noch zu einer Lösung zu kommen. Die Verantwortung aber liege nun vor allem bei der britischen Regierung und dem Unterhaus. Und das darf nach Schmidts Ansicht ruhig darüber nachdenken, das Volk noch einmal einzubeziehen: "Ein zweites Referendum über die Brexit-Modalitäten ist ein denkbarer Ausweg aus der Krise."

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