Fürther Zwischenspiel mit fetzigem Klezmer

18.3.2019, 16:00 Uhr
 Fürther Zwischenspiel mit fetzigem Klezmer

Für Claudia Floritz bedeutet dieses siebte Intermezzo die letzte Klezmerfest-Eröffnung in ihrer Eigenschaft als Kulturamtsleiterin, ein Umstand, der sie sichtlich rührte. Doch nicht Wehmut war angesagt, sondern Trotz und Engagement gegen rechtsradikale Tendenzen, die sich in Gestalt von Grabschändungen auf jüdischen Friedhöfen und Mobbing gegen jüdische Mitbürger schon wieder bemerkbar machen. Aber auch die "Wahnsinnstat in Neuseeland" (Floritz) bei der ein Fanatiker in zwei Moscheen mindestens 50 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, erschoss, wurde von der Kulturamtsleiterin in unmissverständlichen Worten als Akt des Fanatismus verurteilt.

Nach diesem eher düsteren Prolog fegte das Quartett "The Sound of Klezmer" über die Bühne und sämtliche Schatten hinweg. Die Truppe um den jungen israelischen Klarinettisten Maxim Solniker, der bei Klezmer-Koryphäe Giora Feidmann studiert hatte, pflegt laut Eigendarstellung einen traditionellen Klezmerstil, der aber neben dem Akkordeon auch Leihgaben aus der Salon- und Spätromantik sowie wabernde Synthiesoundschwaden auf dem Keyboard einschließt, das Amir Kovalski souverän bedient.

Ein Energiebündel

 Fürther Zwischenspiel mit fetzigem Klezmer

Solnikers Klarinettenspiel zeichnet sich vor allem durch einen verstärkten Sound mit viel Hall und eine Vorliebe für die obersten Sprossen der Tonleiter aus. Sowie durch ein energetisches Spiel, bei dem andere Musiker nach einer halben Stunde japsend Pause einlegen und ihren Kameraden ausgedehnte Soli übertragen müssten. Wo nimmt Solniker bloß die Kraft und Puste her?

Doch so mitreißend sich Solnikers Mixtur aus Tradition und High Speed-Klezmer gibt: Auf die Dauer gerät das Konzert ermüdend. Langsame oder beschauliche Nummern? Fehlanzeige! Und wenn sich Keyboard oder Akkordeon doch einmal in pastoralerem Tempo ergehen, darf man gewiss sein, dass die Klarinette nach spätestens einer Minute wieder das Gaspedal durchdrückt. Indes, die Zuhörer lassen sich gerne überrollen und applaudieren begeistert.

Lamento und Wiegenlied

Einen ganz anderen Weg beschreitet hernach das Trio "Moritz Weiß Klezmer", und das ist gut so. In absoluter Dunkelheit intonieren die drei jungen Österreicher einen Gesang, der irgendwo zwischen Lamento und Wiegenlied oszilliert. Eine Konzertgitarre gesellt sich dazu, das Licht dämmert langsam hoch, und dann bezaubern ausgesprochen zarte und spröde Töne das Ohr. Auf der Grundlage eines verspielten Freejazz-Dialogs zwischen Gitarre und Kontrabass improvisiert Moritz Weiß auf der Klarinette, sorgt nach dem vorhergegangenen Kraftakt für die dringend benötigte Erholung und eine geradezu lyrische Intimität.

 Fürther Zwischenspiel mit fetzigem Klezmer

© Fotos: Hans-Joachim Winckler

Was Humor nicht ausschließt: Das im Klezmer bis zum Überdruss gepflegte Schluchzen der Klarinette — angeblich Symbol für die tränenüberströmende Mama, die ihre Tochter dem Bräutigam übergibt — treibt Moritz Weiß auf die Spitze, indem er sich ins Publikum begibt und ausgewählte Gäste wie ein ausgehungerter Kater musikalisch anfleht, anjammert und zum Steinerweichen maunzt und miaut.

Ein anderes Stück des größtenteils rein instrumentalen Konzerts nennt sich "Der Fleischwolf", das allerdings mit eher psychedelischen als brachialen Klängen überrascht. Auch wenn ein Schlagzeug fehlt, kommt die Perkussion doch nicht zu kurz. Da wird eben der Korpus von Kontrabass und Gitarre auf Klopftauglichkeit überprüft, oder Gitarrist Niki Waltersdorfer legt eine Klatsch- und Trampeleinlage hin. Auch das Publikum darf mitsummen, klopfen und klatschen.

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