Fürths Schuldenberg schrumpft weiter

29.11.2015, 16:22 Uhr
Keine neuen Schulden, aber eine neue Feuerwache: 2016 sollen die Arbeiten beginnen, damit Fürths Wehr aus ihrem alten und viel zu beengten Domizil am Helmplatz ausziehen kann.

© Foto: Linke Keine neuen Schulden, aber eine neue Feuerwache: 2016 sollen die Arbeiten beginnen, damit Fürths Wehr aus ihrem alten und viel zu beengten Domizil am Helmplatz ausziehen kann.

Wenn am Dienstag der Stadtrat zusammenkommt, um den Etat für 2016 zu beschließen, dürfte es entspannter zugehen als zunächst befürchtet. Noch vor wenigen Wochen wies das Zahlenwerk von Kämmerin Stefanie Ammon eine Deckungslücke von drei Millionen Euro aus. Doch diese hat sich jetzt geschlossen.

Zauberei steckt nicht dahinter, die Erklärung ist simpel: Das Landesamt für Statistik hat vor kurzem neue Prognosen zu den Steuereinnahmen veröffentlicht, die die Städte und Gemeinden im kommenden Jahr erwarten dürfen. Und siehe da: Bei der Einkommensteuer darf Fürth mit 66 Millionen Euro kalkulieren, das sind drei Millionen mehr, als ursprünglich eingeplant. „Damit habe ich nicht gerechnet“, gibt Kämmerin Ammon offen zu. „Ich war aufs Streichen eingestellt.“ Sprich: Die Stadträte hätten morgen darüber streiten müssen, welche Maßnahmen noch ein Jahr zu schieben seien.

Oberbürgermeister Thomas Jung ist äußerst zufrieden mit der Arbeit seiner Kämmerin. „Willkommen im Rathaus der finanzpolitischen Stabilität“, sagt er zum Auftakt eines Pressegesprächs zum Haushalt. Im fünften Jahr seit 2011 wird die Stadt ohne neue Schulden auskommen. Zum dritten Mal infolge wird sie sogar tilgen. Der enorme Fürther Schuldenberg, zu dem Thomas Jung gerade in den ersten sechs Jahren seiner Amtszeit ebenfalls beigetragen hat, soll um 3,2 Millionen Euro auf 236 Millionen (Kernhaushalt) schmelzen.

Die Zeit des Schuldenmachens, das betont Jung immer wieder, sei vorbei – sofern nicht erneut eine Weltwirtschaftskrise das Land heimsucht. Mit einigem Unverständnis blickt er daher nach München und Nürnberg. „Schulden auf Rekordhöhe“, schrieb diese Zeitung unlängst über einen Artikel zum Nürnberger Haushalt 2016. Und in der Landeshauptstadt stimmt der OB die Menschen nach Jahren des Tilgens schon mal auf neue Zeiten ein: Schulden, sagt Dieter Reiter, seien „nicht per se unseriös oder Ausdruck einer unsoliden Finanzpolitik“.

Thomas Jung hat eine andere Sicht der Dinge: „Verhängnisvoll“ sei das, wenn Städte es selbst „in dieser Superzeit“ nicht schafften, Schulden abzubauen. Dass seine Stadt dabei auf die Hilfe des CSU-regierten Freistaats bauen kann, damit geht Sozialdemokrat Jung offensiv um – und schickt Dankesgrüße nach München. Im dritten Jahr in Folge fließen von dort Stabilisierungshilfen über vier Millionen Euro in die Kleeblattstadt.

Darauf können nur Kommunen mit strukturellen Defiziten hoffen. Fürth fällt in diese Kategorie: Im Vergleich zu anderen bayerischen Städten ist es arm. Zwar liegen die Gewerbesteuereinnahmen, eine der wichtigsten Geldquellen der Kommunen, in Fürth aktuell mit fast 60 Millionen Euro auf Rekordniveau. Doch Ingolstadt (Audi) oder auch Regensburg (BMW) nehmen hier ein Vielfaches ein, selbst Würzburg steckt Fürth in die Tasche.

Die vier Millionen Euro aus München will Jung aber nicht als Geschenk verstanden wissen. „Wir kriegen die nicht, weil Frau Ammon schön lächelt“, stellt er klar. Der Freistaat würdige die Sparbemühungen im Rathaus, wo ab 2011 ein 20 Millionen Euro schweres und schmerzhaftes Sparpaket geschnürt worden ist, das heute als Grundlage des Erfolgs zu sehen ist. Stefanie Ammon, lobt Jung, wache „mit einer unerbittlichen Strenge und Schärfe“ darüber, dass weiter sparsam gewirtschaftet wird.

Unerbittliche Kämmerin

Unerbittlich, streng: Ist das ein Etikett, mit dem die Kämmerin gerne lebt? „Nun ja“, sagt Ammon, „so muss eine Kämmerin eben sein. Das ist mein ureigenster Anspruch.“ Es verwundert daher nicht, wenn Ammon und Jung wieder unisono sagen, dass der Stadtrat trotz der guten Zahlen bei den Haushaltsberatungen am Dienstag kaum Spielraum haben wird. Es gibt nichts zu verteilen und schon gar nicht zu verschenken, lautet die Botschaft aus dem Rathaus.

Jung vergisst nicht zu erwähnen, dass München die Stabilisierungshilfen nur unter strengen Auflagen zahle. So dürfe man keinesfalls die sogenannten freiwilligen Leistungen erhöhen. Dass die Stadt – wie berichtet, vorhat, den Fürther Sportvereinen, vor allem jenen mit eigenen Sportstätten, jährlich 200 000 Euro mehr zuzuschießen, verbuchen Kämmerin und OB nicht als freiwillige Leistung. „Es ist doch in unserem ureigensten Interesse, diese Vereine zu unterstützen, sonst müssten wir selbst Hallen bauen“, sagt der Rathauschef.

Das Zahlenwerk, das Ammon am Dienstag vorstellt, hat ein Gesamtvolumen von 423,1 Millionen Euro. Davon entfallen 376,8 Millionen Euro auf den Verwaltungshaushalt, aus dem die laufenden Kosten bestritten werden. Investieren will die Stadt rund 30 Millionen Euro – eine gute Summe, findet Jung.

Dank sprudelnder Steuerquellen steigen die Einnahmen laut Ammon um vier bis fünf Prozent. Allerdings legen auch die Ausgaben kräftig zu. Wie schon im laufenden Jahr muss die Stadt viel neues Personal einstellen, gut 30 Vollzeitstellen sind es diesmal. Zum einen wegen des Bevölkerungswachstums, aber allein 18 Posten wegen der Flüchtlingswelle. „2000 Flüchtlinge verwalten sich eben nicht von allein“, sagt der Oberbürgermeister. Um die Menschen zu betreuen, wird die Stadt 2016 Ammon zufolge rund 2,8 Millionen Euro mehr ausgeben, die nicht von Bund oder Land erstattet werden.

Die Personalkosten übersteigen erstmals die 100-Millionen-Marke. Und: Weil in den vergangenen Jahren viele neue Krippen, aber auch Kindergärten entstanden sind, muss die Stadt den freien Trägern dieser Einrichtungen 24,8 Millionen Euro zuschießen. Zum Vergleich: 2012 waren es nur 13,1 Millionen Euro.

Bei den Investitionen sticht der Baustart der neuen Feuerwache am Schießanger heraus. Zwar gibt die Stadt immer noch das meiste Geld (7,4 Millionen Euro) dafür aus, Schulen oder Kindertagesstätten zu bauen, zu erweitern oder zu sanieren. Der Posten Straßen und Brücken (6,5 Millionen Euro) folgt aber dichtauf. Wegen der maroden Brücken im Stadtgebiet werden auch in Zukunft große Summen in diesen Bereich fließen.

Der Erhalt der Infrastruktur wird für die Stadt zur Herkulesaufgabe. Längst gibt es Turnhallen, in die es hineinregnet, und Brücken, auf denen Tempolimits gelten, weil sie beschädigt sind. So lange der Wirtschaftsmotor brummt, scheint das ohne neue Schulden lösbar zu sein. Oberbürgermeister Thomas Jung zeigt sich aber als Realist: „Es wird nie endlos positiv weitergehen“, sagt er. Will heißen: Die nächste Krise kommt bestimmt. Aber vielleicht dauert es bis dahin noch ein Weilchen.

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