Fürths Stadtteile haben neue Grenzen

19.2.2016, 11:00 Uhr
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Ein Verkehrsunfall im Westen Fürths, die Straße ist bekannt, doch ist das jetzt die Schwand, das Eigene Heim oder am Ende sogar die Hard? Wie nennt man eigentlich das Areal an der Pestalozzischule – zählt das noch zu Ronhof? Und gehört das Komponistenviertel nun zu Dambach oder doch zur Westvorstadt? Fragen wie diese tun sich in der FN-Redaktion immer wieder auf, denn: Die Stadtteilgrenzen sind in Fürth nicht immer klar umrissen.

Im Schloss Burgfarrnbach, der Heimat des Stadtarchivs, sieht man das genauso – und hat sich intensiv Gedanken gemacht. Ein wenig neidvoll blickt Archivleiter Martin Schramm nach Nürnberg, wo es ihm zufolge eine Internetseite gibt, die keine Fragen offen lässt: Tippt man den Straßennamen ein, spuckt sie den dazugehörigen Stadtteil aus. Schön wäre das auch für Fürth, findet Schramm. In erster Linie geht es ihm aber darum, Klarheit für die Arbeit im Archiv zu haben, um etwa alte Aufnahmen besser zuordnen und einsortieren zu können.

In einer Arbeitsgruppe mit Stadtplanungsamt und der Stadtheimatpflege wurden klare Linie gezogen. Dabei orientierte man sich unter anderem an historischen Karten und alten Flurbezeichnungen, an natürlichen Grenzen wie Flüssen sowie an künstlichen Grenzen wie dem Kanal, Straßen oder Eisenbahnlinien. Das Ergebnis habe keinen Anspruch auf "absolute Wahrheit", betont Schramm und räumt ein, dass man "das eine oder andere auch anders sehen" könne.

Manche Entscheidung fiel sehr leicht. Wo sich Vach und Poppenreuth erstrecken, ist unzweideutig. Anderes überrascht: Das Areal von Dynamit Nobel etwa liegt unweit des Sportparks Ronhof, gehörte aber schon zu Stadeln, als der Vorort eine eigenständige Gemeinde war. Das verraten alte Karten.

Schramms Team setzte sich aber auch über Gemarkungsgrenzen, die ab dem früheren 19. Jahrhundert festgelegt wurden, hinweg. So zählt der östliche Teil Burgfarrnbachs, der sich zum Kanal hin ausdehnt, laut alten Aufzeichnungen zur Gemarkung Unterfarrnbach. Damals erstreckten sich dort Felder, den Kanal gab es noch nicht, heute würde niemand daran zweifeln, dass dies ein Teil Burgfarrnbachs ist, argumentiert Schramm nachvollziehbar.

Andere Entscheidungen im Stadtwesten sind weitaus diskussionswürdiger: Die Bebauung zwischen dem TV Fürth 1860 und der Kirche St. Nikolaus hat die Arbeitsgruppe der Eschenau zugeschlagen – nicht etwa Oberfürberg. Das Komponistenviertel, wo Händel-, Halevi- und Lortzingstraße nahe an den alten Dambacher Ortskern reichen, verleibte sie der Westvorstadt ein.

"Am Stadtpark" oder "Oststadt"?

Am meisten Kritik musste Schramm nach eigenen Worten aber bislang für eine andere Entscheidung einstecken: Jenem Stadtteil, der sich von der Innenstadt (Gabelsbergerstraße) entlang der Nürnberger Straße bis zur Stadtgrenze erstreckt, verpasste er den Namen "Am Stadtpark" – obwohl mit "Oststadt" ein durchaus geläufiger Begriff kursiert. "Am Stadtpark" sei aber deutlich schöner, begründet Schramm.

Einige Ecken Fürths stellten die Arbeitsgruppe vor besondere Probleme, die Billinganlage etwa, die nicht groß genug sei, einen eigenen Stadtteil zu bilden. Aber wohin dann mit ihr? Die Lösung lautete zur Schwand, die schon auf historischen Karten ein riesiges Gebiet umfasste. Und wie nennt man das nicht ganz kleine Viertel zwischen Ludwigsbrücke, Praterweiher und Pestalozzischule? Die Gemarkungsgrenze Ronhof endet weiter nördlich, zu Poppenreuth gehört es ebenso wenig wie zum Espan, folglich musste ein eigener Name her. Weil den Planern weder "Am Praterweiher" noch "Am Uhrenhäuschen" angemessen schienen, fiel die Wahl auf "Nordstadt".

Einen neuen Namen vergab die Arbeitsgruppe auch für das ehemalige Kasernenareal am Golfplatz, also den alten Flugplatz. Früher gehörte es zu Atzenhof, heute wird schneidet es der Main-Donau-Kanal vom Altort ab. Schramms Team entschied sich letztlich nicht für "Golfpark", wie das dortige Gewerbegebiet genannt wird, sondern aus historischen Gründen für "Alter Flugplatz Atzenhof".

Gewachsene Siedlungen, die jedoch laut Schramm nicht als "eigenständig" gelten können, wurden auf dem Stadtplan zwar erfasst (gestrichelte Linien), dann aber einem Stadtteil zugeschlagen: Die Kalbsiedlung gehört deshalb zur Südstadt, die Hardsiedlung zur Hardhöhe, die Ronwaldsiedlung und Kronach zählen zu Ronhof, Braunsbach und Bislohe zu Sack. Die Innenstadt wurde noch einmal in Innenstadt und Altstadt getrennt, und das Eigene Heim ist Teil der mächtigen Schwand.

Sicher nicht Eigenes Heim

Letzteres bringt ein weiteres Kuriosum ans Licht, erzählt Schramm. So liege die Bushaltestelle "Eigenes Heim" eigentlich klar außerhalb der alten Genossenschaftssiedlung, die im frühen 20. Jahrhundert entstanden ist. Zugezogene, die unweit der Bushaltestelle leben, glaubten aber zwangsläufig, im Eigenen Heim zu wohnen. "Dabei", so Schramm, "ist dort alles andere, aber nicht das Eigene Heim."

Vielleicht hilft die neue Stadtteil-Karte ja, derartige Missverständnisse aufzulösen – selbst wenn sie zuvor noch Stoff für Diskussionen liefern dürfte. Auf "handfeste" Rückmeldungen freut sich Schramm durchaus, zum Beispiel zur Nordstadt: "Mich würde sehr interessieren, wie alte Menschen, die dort schon lange leben, dieses Quartier nennen."

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