Gelebte Musik

29.6.2017, 14:00 Uhr
Gelebte Musik

© Foto: Stadttheater

Geschwister als hervorragende Interpreten gibt es mehr, als man glaubt, man denke nur an Wolferl und Nannerl Mozart oder an Felix und Fanny Mendelssohn. Dass dann jeweils nur der Bub Karriere gemacht hat, lag bestimmt nicht an mangelnder Fantasie der Schwester, sondern an den Denkschablonen der Zeit, die die Frau trotz aller Talente an Heim und Herd verbannte.

Umso mehr macht es Freude, wenn ein erwachsenes und reif gewordenes Geschwisterpaar miteinander musiziert. Die gebürtigen Russen und längst eingebürgerten Deutschen Alexandra Troussova (Jahrgang 1977) am Flügel und ihr fünf Jahre jüngerer Bruder Kirill auf der Violine sind beide Meisterinterpreten auf ihrem Instrument. Überdies kommt das Publikum an diesem Abend sogar in den Genuss, eine echte Stradivari zu hören.

Rein russisch

"Memories" ist das Programm betitelt, wird komplett von russischen Komponisten bestritten und führt von der klassischen Moderne in die Vergangenheit des 19. Jahrhunderts. Doch zuerst glaubt man, sich zu verhören. Dieses Pastoral, diese zauberhaften Duette, dies Raunen des Klaviers, diese Kantilenen der Violine klingen doch ganz nach Mendelssohn? "Suite im alten Stil" hatte Alfred Schnittke seine Sonate aus dem Jahr 1972 überschrieben. Und so stilsicher auskomponiert, dass man dies Werk weder für epigonal, noch für ein Werk des Neoklassizismus einordnen möchte.

Nach diesem bezaubernden Einstieg kommt der schwere Brocken des Abends, die Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 von Sergei Prokofjew. Auch diese Sonate wandelt zunächst auf klassischen Pfaden, indes lässt Prokofjew seine Ideen nur selten aussingen, sondern springt von einem Gedanken zum nächsten, scheint sich zu verzetteln. Dies aber mit Absicht. Wird es einmal munter wie im Presto, so lässt sich Kirill Troussov sogar zu tänzelnden Schritten hinreißen. Zauberhaft gerät das Andante, ein tief intimer Dialog zwischen den Interpreten, der seine Zuhörer gefangen nimmt, bis das furiose Allegro von brio dem Unternehmen den Kehraus und Garaus bereitet.

Die Brücke zum 19. Jahrhundert schlägt Efrem Zimbalist, der Motive aus Rimski-Korsakows letzter Oper "Der goldene Hahn" zu einer Suite zusammenstellt. Dann endlich der Höhepunkt: Peter Tschaikowskis "Meditation Nr. 1, opus 42". Ursprünglich als Mittelsatz für sein Violinkonzert geschrieben, dampfte Tschaikowski die sinfonische Anlage des Stücks auf das Kammerspiel für Klavier und Violine ein. Dennoch ist die sinfonische Konzeption unüberhörbar, umspielen sich Haupt- und Nebenstimmen auf das Klangmächtigste.

Das verleitet zum Schwelgen, zum Sichgehenlassen. Aber da ist die Disziplin der Geschwister Troussov vor. Dasselbe gilt auch für das temperamentvolle "Valse-Scherzo" opus 34 desselben Komponisten, ein furioser Abschluss, dem das Geschwisterpaar mit Aram Katchaturians "Säbeltanz" noch eins draufzusetzen weiß.

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