Geschichten, die das Leben schreibt

19.6.2012, 10:00 Uhr
Geschichten, die das Leben schreibt

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Ein bisschen genervt saß das Leben im gelben Strandstuhl des Cafés in der Märzsonne und tippte Ideen in seinen Mac. Ständig musste es den Impuls unterdrücken, an seiner übergroßen RayBan herumzufummeln. Zwischendurch starrte das Leben über den Rand seines Notebooks ins Nichts. Das Leben hatte eine miese Laune, die regelmäßigen Treffen mit seinem Verleger langweilten ihn zu Tode.

Da sah es ihn auch schon den Bürgersteig hinaufschlendern – diesen dicklichen bebrillten Alten mit den abstehenden Ohren. Es gab nichts Schlimmeres als von diesem Gnom geschulmeistert zu werden. Jedes Mal aufs Neue fragte sich das Leben, weshalb es sich immer und immer wieder die Sticheleien und Zurechtweisungen des Verlegers gefallen lassen musste. Es war schließlich bekannt, dass die besten Geschichten aus seiner Feder stammten. Doch es half ja nichts, die Dinge waren eben so eingerichtet.

„Guten Tag, liebes Leben“ grüßte der Herr Verleger. „Tag“, gab das Leben knapp zurück.  „Wir müssen uns heute vor allem über die Dramaturgie der Texte vor deinem Ruhestand im Dezember unterhalten“ setzte der Verleger an, „ich bin ja immer noch der Meinung, dass der ganze Maya-Kalender-Plot ein bisschen dünn ist. Wir brauchen ein wenig mehr Substanz, um auf deinen Abtritt zum Jahresende hinzuführen.“

„Das war ja auch nur so eine fixe Idee – ich hab dir ja gesagt, wir lassen einfach bei allen denkbaren Handlungssträngen ein bisschen Endzeitstimmung durchscheinen und am Ende kommt der große Knall dann eben mehr oder weniger ganz plötzlich. Wer will sich denn beschweren?“, gab das Leben gereizt zurück.

„Wer sich beschweren will? Die Damen und Herren lernst du schon noch früh genug kennen, warte mal auf deine Pensionierungsfeier. Davon abgesehen — was ist mit deinem Ehrensold? Ist das gar kein Anreiz, dich im letzten Kapitel noch ein bisschen ins Zeug zu legen? Ich hab’ zwar gesagt, dass der Bonus so gut wie sicher ist, aber wenn du zum guten Schluss noch einen auf Arbeitsverweigerung machst, weiß ich nicht, ob der große Boss Lust hat, dir bis zum Ende deines Daseins Kohle in den Hintern zu schieben.“

Damit traf der Verleger einen Nerv.

„Schon gut, schon gut. Wer wird denn einer ärmlichen Existenz gleich an die Brieftasche gehen“, versuchte das Leben zu beschwichtigen, „wir haben jetzt über Jahrtausende immer einen Weg gefunden, uns einig zu werden, dann werden wir’s dieses eine Mal schon auch noch schaffen. Wird ja wohl kein Hexenwerk sein, ein Finale zu finden, mit dem alle Beteiligten leben können — na ja, abgesehen von der lieben Menschheit. In welche Richtung soll’s denn gehen, eigentlich haben wir Optionen ohne Ende. Ich könnt' was Richtung Internet machen, irgendwas mit essenziellen Steuerungssystemen und Geheimdienst-Hackern und einer gewaltigen Explosion; der Fallout rafft dann den Rest dahin.“

„Nee, mein Lieber, das ist so was von 2011. Gaddafi hätt’ mir gefallen in seiner schönen Uniform, aber den hat Sir Ungeduld ja schon zu den Akten gepackt. Weißt du, was?! Mach mal was mit Labradorwelpen oder Delfinen. Ich steh auf die Viecher!“

Das Leben wollte noch etwas erwidern, doch da hatte der Verleger sich bereits zum Gehen gewandt und seine imposanten Ohren mit großen Kopfhörern bedeckt.


 

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