Gewalt unter Kontrolle

13.4.2011, 16:00 Uhr
Gewalt unter Kontrolle

© Armin Leberzammer

„Kommt schon, schneller! Schaut nicht auf die Uhr!“ Boxtrainer Muharrem Koc treibt den Siebt- und Achtklässlern mit seinen Aufwärmübungen den Schweiß auf die Stirn. Mit hoher Frequenz trippeln sie vor einer an der Wand des Trainingsraums hängenden Gummimatte und sollen fast ebenso schnell auf diese eindreschen. Auch wenn nach der fünften und sechsten Runde die Luft langsam knapp wird, eine Blöße wollen sich die Jungs nicht geben.

Und wenn doch, kann das leicht nach hinten losgehen. „Wie oft machen wir das noch?“, fragt einer der Jugendlichen. Die Antwort des Trainers: „Jetzt einmal zusätzlich, weil du gefragt hast.“ „Was, wir alle?“ Tja, mitgefangen, mitgehangen. Was sich auf den ersten Blick wie ein Boot-Camp für schwere Jungs anhört, ist in Wirklichkeit ein von Spenden finanziertes und vom Kultusministerium gefördertes Projekt, an dem die Schüler offenbar gerne teilnehmen.

„Der Trainer lebt ihnen Ausdauer und Aufrichtigkeit vor, deswegen sind meine Schüler auch so begeistert“, erzählt Helmut Stillkrieg, Lehrer an der Fürther Pestalozzi-Schule. Er koordiniert zusammen mit Peter Althoff (K1 Fitness Club) und Bernhard Nuss (Never walk alone Nürnberg e.V.) die wöchentlich 90 Minuten Lauf- und Boxtraining im Rahmen des Kooperationsmodells „Sport nach 1“ zwischen Schulen und Vereinen. Zwar gebe es an der Pestalozzi-Schule keine wirklich gravierenden Probleme mit Gewalt und Intoleranz, doch wirkt sich laut Stillkrieg der seit Januar stattfindende Nachmittagssport bei einigen Teilnehmern schon positiv aus. „Man merkt es im Unterricht, sie sind insgesamt ruhiger, ausgeglichener und konzentrierter geworden“, so der Pädagoge.

Respekt vermittelt

Aggressiv, unüberlegt und unkontrolliert – mit diesen Eigenschaften kommt man im Boxsport nicht weit. Gerade deshalb sei „run & box“ so erfolgreich, meint Bernhard Nuss. Sechs Schulen machen bislang mit, bald können es zehn sein. Nuss hat einen vollen Terminkalender, weil er die Schülergruppen mit seinem Kleinbus immer abholt und zurückbringt. Das Box-Einmaleins vermitteln dann die Trainer – und zwar nicht nur wie man eine satte rechte Gerade ansetzt, sondern vor allem den Respekt vor Gegner und Spielregeln.

Der Wettstreit im Boxring fungiert als Ventil für aufgestaute Wut und bietet alternative Verhaltensmuster. Dieses Selbstverständnis soll über das Sportprojekt hinaus in den Alltag wirken und Basiskompetenzen wie Kommunikations- und Teamfähigkeit oder Pünktlichkeit verbessern. „Einige Mädchen an unserer Schule haben schon angefragt und wollen ebenfalls mitmachen“, berichtet Helmut Stillkrieg. Allerdings muss zuerst eine weibliche Boxtrainerin gefunden werden, bevor es heißt: „Ring frei. Und achte auf deine Deckung!“

Auch der Präventionsverein 1-2-3 im Fürther Landkreis hat bereits Interesse am Modellprojekt zur Gewaltprävention angemeldet. Im Dezember erst waren bei einer Tombola in den Räumen des Poppenreuther Großhändlers Selgros Spenden für „run & box“ gesammelt worden. Der ehemalige Schwergewichtsweltmeister Axel Schulz unterstützte die Aktion damals mit einer Autogrammstunde.