Girls’ und Boys’ Day in Fürth: 220 Jugendliche waren dabei

29.4.2016, 11:00 Uhr
Girls’ und Boys’ Day in Fürth: 220 Jugendliche waren dabei

© De Geare

Zu erklären, wie ein Verbrennungsmotor funktioniert und wie sich ein Kolben im Zylinder bewegt, das ist für Alexander Sterzer, Werkstattleiter bei Röder Automobile, keine große Sache. Ungewöhnlich aber ist diesmal sein Publikum: zehn junge Mädchen, deren Blicken seine mit Motoröl verschmierte Hand nicht entgeht. „Das sieht schlimm aus, lässt sich aber mit Spezialseife gut abwaschen“, versichert Sterzer. „Außerdem macht es die Hände weich, es ist ja Öl“, merkt Geschäftsführerin Alexandra Latteier augenzwinkernd an. Einige Mädchen lachen.

Girls’ und Boys’ Day in Fürth: 220 Jugendliche waren dabei

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Im Job hat es Sterzer für gewöhnlich nicht mit Frauen zu tun. 19 Leute zählen zum Werkstatt-Team, alles Männer. Noch. Denn bald beginnt eine neue Ära im Autohaus. Ab Herbst wird hier die erste junge Frau zur Kfz-Mechatronikerin ausgebildet. Alexandra Latteier freut das auch deshalb, weil die Branche unter einem „extremen Fachkräftemangel“ leidet.

Reifenwechsel. Moesha Baggiano von der Mittelschule Soldnerstraße hält einen Schlagbohrer in der Hand. Ein schweres, lautes Ding. Hinterher gesteht die 13-Jährige: „Da erschrickt man fast im ersten Moment.“ Warum sie heute hier ist? „Naja, ich dachte, ich schau mir mal was anderes an.“ Elena Stoilykovic (13) vom Hans-Sachs-Gymnasium in Nürnberg hat zwar vor, Anwältin zu werden. Aber: „Sowas hier würde mir auch gefallen, in einer Werkstatt ist es doch schöner als in einem Büro.“ Sollte sich die Gymnasiastin eines Tages tatsächlich für eine Ausbildung im Kfz-Betrieb entscheiden, weiß sie zumindest schon mal das: Der Job kann mitunter kräftezehrend sein. Beim Festzurren von Schrauben mit dem Drehmomentschlüssel musste sich das zierliche Mädchen richtig reinstemmen, und Autoreifen mal eben von hier nach dort zu wuchten, ist auch nicht ohne.

Beim Girls’ Day in Fürth schnupperten Mädchen ab der siebten Klasse in die Bereiche Technik, Naturwissenschaft, Handwerk und IT. Mit von der Partie waren zum ersten Mal OBI, Röder Automobile und Sendelbeck Haustechnik. Beim Boys’ Day lernten Jungen Berufe kennen, die als typisch weiblich gelten — etwa aus den Bereichen Pflege, Soziales und Erziehung. Geöffnet haben sich erstmals auch die Kinderarche, das Klinikum, die Kursana Residenz.

Besuch in der Friseurwerkstatt der Kinderarche. Drei Jungs sollen Puppenköpfen stattliche Locken verpassen. „Volumenwickler am Übungskopf eindrehen“, formuliert Friseurmeisterin Pamela Ullmann die Aufgabe im Fachjargon. Rafael Regel und Pascal Wagner, beide 13, finden den Auftrag schwieriger als erwartet. Was da alles zu beachten ist: die Aufteilung des Haupthaars in „Abteilungen“, die Position der Wickler im Verhältnis zum Scheitel, das Stecken der Stäbchen gegen die Wickelrichtung. . . „Das ist nicht so meins“, winkt Pascal ab, der lieber Kfz-Mechatroniker werden will. Rafael nickt. Auch wenn nicht überall der Funke überspringt: Fürths Gleichstellungsbeauftragte Hilde Langfeld, die den Girls’ und Boys’ Day seit über zehn Jahren mit IHK, Kreishandwerkerschaft, Arbeitsagentur, Jobcenter und Schulreferat organisiert, hat den Eindruck, dass die Aktionstage helfen, die Welt ein wenig zu verändern. Die Organisatoren auf Bundesebene bestätigen das. Sie verweisen auf einen steigenden Frauenanteil bei Maler- und Lackiererinnen sowie auf eine Zunahme junger männlicher Erzieher oder Hauswirtschaftshelfer.

In Frankreich arbeiten nach Langfelds Erkenntnissen übrigens doppelt so viele Männer im Friseursalon wie in Deutschland. Der Friseurberuf, stellt die Gleichstellungsbeauftragte fest, habe dort einen viel höheren Stellenwert, das Anfangsgehalt sei aber auch rund 300 Euro höher als in Deutschland.

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