Glattrasierte Ritter auf der Cadolzburg

1.10.2017, 09:00 Uhr
Glattrasierte Ritter auf der Cadolzburg

© Foto: Peter Budig

Der historische Ortskern von "Sporch" war gesäumt von Buden und Verkaufsständen. Die Gassen waren voll, die Menschen in Fest- und Konsumstimmung, die Eisläden und Cafés gut gefüllt. Im Burghof dominierten die verkleideten Landshuter das bunte Treiben: Bürgersleute in historischer Sonntagstracht, Patrizier in edlem, doch bescheidenem Grau; Ritter in historisch an die Rüstungen aus der Wiener Hochburg angelehnten Harnischen; Tanzgruppen und Spielleute tummelten sich im Hof und in den Prunksälen der Burg – überall Musik, Tanz, historische Aufführungen. Über 120 Landshuter, die gerade erst am alle vier Jahre stattfindenden Historienspektakel mitgemacht hatten, waren nach Cadolzburg gekommen.

Vom Gemälde inspiriert

Ursula Wohlgemut und Stefan Härtl vom Vorstand des Vereins "Die Förderer" erklären die Prinzipien des Historienfestes, das inzwischen im Turnus von vier Jahren gefeiert wird. Seit 1902, inspiriert durch historische Gemälde von der verbürgten Landshuter Hochzeit 1475, wird dieses berühmte Stadtfest organisiert. Die Vorstände tragen bei der Inszenierung graue Lodengewänder, die einerseits auf ihre Funktion im Verein, andererseits auf eine damalige gehobene Bürgerschicht hinweisen. Wie alle Männer jener Zeit hat sich Stefan Härtl die Haare über die Ohren wachsen lassen. Die schönen Ringe, die Ursula Wohlgemuts Hände schmücken, sind zwar heutige Goldschmiedekunst, jedoch nach dem Vorbild historischer Malereien aus dem späten Mittelalter angefertigt.

"Wir achten sehr auf historische Korrektheit. Alle Männer müssen lange Haare tragen, glattrasiert sein. Tattoos und Piercings sind tabu", sagt Härtl. Die Kleider sind von der Vereinsschneiderei eigens nach historischen Gemälden angefertigt und gehören, ebenso wie die Schuhe, dem Verein. Die Rüstungen sind nicht aus dünnem Blech, die Kämpfe, die auch im Burghof stattfinden, wurden wochenlang trainiert. Als Anleitung dienen die Fechtbücher des Meisters Paulus Kal. Der berühmte Lehrer seiner Zeit hat sowohl auf der Landshuter Burg wie auch in Nürnberg gewirkt. Am Gürtel der Patriziergewänder baumeln historische Dolche. "Sie dienten einerseits als Essenswerkzeug, andererseits als Waffe. Es waren wilde Zeiten", meint Ursula Wohlgemut lächelnd.

Oben in der Burg, im Eichensäulen-Saal, wo auch im Mittelalter gefeiert und getanzt wurde, zeigt die Landshuter Gruppe höfische Tänze. Lieven Bart, ein Tanzmeister für historische Tänze aus dem flämischen Belgien, hat sie mit den jungen Landshutern wochenlang einstudiert. Gut tausend Besucher sind an diesem Tag auf die Cadolzburg gekommen, um sich das aufwändige Treiben aus der Nähe anzusehen. Wobei – so spektakulär ist die Zahl gar nicht. Die Cadolzburg ist ein Erfolgsmodell, sie hat bereits wenige Monate nach der Eröffnung mehr als 30 000 Besucher gesehen. Diese Zahl war einst als zufriedenstellender Jahresbesuch angestrebt worden.

Geschickt gewählt war der Markt- und Gewerbesonntag für die Landshuter Hochzeit auf der Burg. "Wir haben aber ebenso darauf geachtet, dass der historische Bezug zur Cadolzburg passt, wir machen hier nicht Spektakel um des Spektakels willen", so Sebastian Karnatz, der mit anderen die Ausstellung kuratiert hat.

Wichtige Rolle

Kopf der historischen Gesandtschaft aus Niederbayern ist schließlich Albrecht, Kurfürst von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern, der mit seiner zweiten Frau, Anna von Sachsen, nach Franken gekommen ist. Das Ganze macht historisch doppelt Sinn: Bei der "Landshuter Hochzeit von 1475", einem polnisch-bayerischen Politarrangement zur Stärkung der Westflanke des Reiches gegen die Türken, spielte der von Papst Pius III. "Achilles" genannte Fürst eine wichtige Rolle.

Und zwar als Zeremonienmeister der Eheschließung von Herzog Georg von Bayern Landshut und der polnischen Prinzessin Hedwig. Seine Gattin Anna, die beiden sollen übrigens eine für damalige Verhältnisse sehr innige Ehe geführt haben, war eine Tante des Bräutigams.

Der mächtige Kurfürst Achilles, aus dem Wahlmänner-Gremium, das den Kaiser wählt, gehörte nominell zudem zu den Burggrafen der Nürnberger Kaiserburg, die im Auftrag des Kaisers Rechte wahrnahmen. "Einige Wochen im Jahr, das bestätigen Aufzeichnungen über Getreidevorräte, hat das Paar auf der Cadolzburg residiert", wie Kunsthistoriker Karnatz erzählt.

So passt der Sonntagsausflug auch für die zeremonienstrengen Landshuter: "Das ist eine tolle Sache. Es steckt so viel Mühe hinter den Vorbereitungen für die Landshuter Hochzeit. Wenn wir das jetzt, wo die Haare der Männer noch lang sind, hier in diesem wundervollen Ambiente darstellen können, ist das für uns alle eine Riesenfreude", sagt Ursula Wohlgemut. Ganz augenscheinlich war: Den Franken hat sie genauso Spaß gemacht, diese niederbayerische Mittelalterdelegation.

Keine Kommentare