Gratis-Fahrten für Rentner: In Fürth überwiegt Skepsis

4.12.2016, 06:00 Uhr
Gratis-Fahrten für Rentner: In Fürth überwiegt Skepsis

© Hans-Joachim Winckler

Freie Fahrt für Senioren im ÖPNV? Inge Hartosch würde das begrüßen. Grundsätzlich. Kein Wunder, die Frau ist 71 und Vorsitzende des städtischen Seniorenrats. Aber Hartosch untermauert ihre Sympathie mit Argumenten. Der Vorschlag, sagt sie, brächte mehr Menschen in öffentliche Verkehrsmittel, und das täte schon mal der Umwelt gut.

Bei Stadtteilbegehungen des Seniorenrats hört Hartosch immer wieder Klagen, die dann hinfällig wären. Denn davon abgesehen, dass sich Rentner nicht mehr mit Tarif-Wirrnissen und Ticket-Automaten herumschlagen müssten: Leuten mit kleinem Geldbeutel tue es ja schon weh, wenn sie für den Weg zum Supermarkt den Kurzstreckentarif von zweimal 1,60 Euro zahlen müssen. Nicht selten aber werde die Fahrt teurer. Wer von Vach zur nächsten Norma an der Vacher Straße fährt oder von Dambach zu Rewe in der Kaiserstraße, bezahle hin und zurück bis zu fünf Euro.

Inge Hartosch ist eine von rund 30 000 Fürthern über 65. Und sie ist – "Gott sei Dank!" – im Besitz des günstigen 9-Uhr-Jahresabos. Es kostet im Monat 25 Euro und gilt in Fürth. Aber selbst das, meint sie, könne sich nicht jeder ältere Mensch leisten.

Der Seniorenrat hat jene Aktion angestoßen, die älteren Menschen den Abschied vom Führerschein versüßt. Wie berichtet, belohnen Stadt und infra den freiwilligen Verzicht seit Januar mit drei Gutscheinen für 9-Uhr-Mobi-Cards. Das kommt an.

160 Fürther haben teilgenommen

160 Fürther haben bis 11. November mitgemacht. Artikel in den Fürther Nachrichten und der Stadtzeitung dürften den Ausschlag dafür gegeben haben, dass inzwischen weitere 60 Personen umgestiegen sind. So zumindest erklärt sich den jüngsten Run der Chef des infra-Verkehrsbetriebs.

Klaus Dieregsweiler findet Burkerts Vorstoß "grundsätzlich gut", fragt aber: Wer soll das bezahlen? Den Verlust der kostspieligen infra-Verkehrssparte – 2015 waren das 10 Millionen Euro – gleiche stets die gewinnträchtige Energiesparte im Unternehmen aus. Wäre da aber ein noch dickeres Minus, was dann? Dieregsweiler sieht hier die Politik gefordert.

Er verweist auf das Wiener 365-Euro-Ticket, mit dem die Österreicher in ihrer Hauptstadt jeden Tag im Jahr für einen Euro U-Bahn, Bus und Straßenbahn nutzen können. Das sei politisch gewollt. "Die Stadt Wien leistet sich das." Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung indes schiebt etwaigen Begehrlichkeiten einen Riegel vor: "Der städtische Haushalt gibt es sicher nicht her."

"Oberflächlich viel Charme"

Der Vorschlag seines Parteifreunds Burkert, meint der OB, habe "oberflächlich viel Charme". Mehr nicht. Jung, der das 25-Euro-Ticket für den "richtigeren Weg" hält, stört sich nicht nur an der willkürlichen Altersgrenze. Alt zu sein bedeute auch nicht zwangsläufig, arm zu sein. "Kein Mensch muss einem Oberstudiendirektor das ÖPNV-Ticket finanzieren, nur weil er 70 ist." Und warum solle ein Rentner bezuschusst werden, eine alleinerziehende Mutter aber nicht?

Dass der Teufel im Detail steckt, ist Inge Hartosch bewusst. Reiche Rentner zu subventionieren, fände auch sie nicht gerecht. Einen Einwand aber hat sie doch: "Kindergeld bekommen ja auch alle Eltern."

Unsere aktuelle Frage im Leserforum lautet: Sollen über 70-Jährige kostenlos Bus und Bahn fahren dürfen? Bitte schreiben Sie uns eine Mail an nn-leserbriefe@pressenetz.de, einen Brief an die Nürnberger Nachrichten, Marienstraße 9–11, 90402 Nürnberg, oder kommentieren Sie das aktuelle Thema direkt online.

26 Kommentare