Großhabersdorferin mit ungewöhnlichem Hobby

29.3.2016, 06:00 Uhr
Großhabersdorferin mit ungewöhnlichem Hobby

© Foto: Armin Leberzammer

Schon alleine die Dame im Pflegezentrum an der Bahnhofstraße ausfindig zu machen, birgt die erste Überraschung. „Ach, die Frau Kohler?“, wiederholt eine Pflegerin die Frage nach ihr und ihrem häufiger vorkommenden Nachnamen, „die Papua-Kohler?“ „Papua-Kohler?“ Nun ist der Besucher verblüfft, das Rätsel erfährt aber alsbald seine Auflösung.

„Mein Vater war Missionar, ich wurde in Papua-Neuguinea geboren“, erläutert die 85-jährige Siege Kohler, die seit einigen Jahren in einem Appartment für betreutes Wohnen in Großhabersdorf lebt. Ihr Geburtsort, den sie siebenjährig verließ, um in Deutschland in die Schule zu gehen, ist ihr heute noch als Paradies in Erinnerung.

Nicht zuletzt daraus erklären sich auch die Motive, mit denen sie nun E-Gitarren verziert: Palmen vor einem rot-glühenden Sonnenuntergang oder ein Paradiesvogel mitten im bunten Geäst. „Solange sie nicht mit einem Klavier daherkommen, geht’s doch“, meint Kohler über die Wünsche ihrer Enkel. Sie sind wie ihr Sohn Michael und die gesamte Familie allesamt musisch begabt und kreativ. Enkel Florian war zuletzt in der Band „The Gardeners“ aktiv, die nicht nur lokal Erfolge feierte.

„Mittlerweile haben sie sich aufgelöst, weil die Mitglieder mit dem Studium fertig sind“, sagt Michael Kohler, in dessen Musikstudio die Songs abgemischt wurden. Aus Sängerin, Schlagzeuger oder Gitarristen wurden nun Ärzte und Ingenieure. „Diese Klampfen werden schon noch mal eine Bühne sehen“, ist sich Michael Kohler trotzdem sicher. Wäre auch schade, wenn diese Kunstwerke nur einem kleinen Kreis zugänglich wären.

Bis zu vier Wochen arbeitet Siege Kohler an einer Gitarre. Drei sind nun vollendet, eine vierte ist in Arbeit. Die Vorbereitungen — abmontieren der Saiten und Griffe sowie das Abschleifen — übernahmen die Enkel selber, ebenso den Abschluss, das mehrfache Streichen mit Klarlack.

Die künstlerische Konzeption und Umsetzung lag aber ganz in Händen der Oma. Mit Bleistiften vorgezeichnet, entführen die bunten, mit Metallic-Lack gemalten Motive in ferne Fantasie- und Tropenwelten. Allzu schwierig empfindet Siege Kohler die Arbeit an den Gitarren übrigens nicht — zumindest verglichen mit dem, was die Seniorin sonst malt. Seit über 30 Jahren beschäftigt sie sich mit der Seidenmalerei. „Das ist schon mehr als ein Hobby“, findet Sohn Michael. Und Siege sagt: „Je schwieriger, desto besser.“

Sie ist Mitglied im Malerkreis Großhabersdorf, einer Vereinigung Gleichgesinnter. „Da gibt es immer etwas zu tun. Schön, wenn man das im Alter alles noch machen kann“, freut sich die 85-Jährige, „das hilft über manches Wehwehchen hinweg.“ Sollte sie nachts einmal nicht schlafen können, hat Siege Kohler allerdings ein ganz anderes Rezept, die Stunden zu verbringen. „Sie schaut sich dann schon mal ein Dire-Straits-Konzert auf DVD an“, erzählt ihr Sohn, „aber komplett.“

„Dudel- und Schlagermusik“ sei halt nicht ihre Sache, „aber jeder soll es machen, wie es ihm gefällt“, so Siege Kohler. Sofern dann tagsüber bei all den Wünschen der Enkel noch Zeit übrig bleibt, widmet sie sich ihrem kleinen Gärtchen. Das wichtigste ist und bleibt allerdings die Familie. Söhne und Enkel bringen dank häufiger Besuche „eine unendliche Freude“ in das Leben der Künstlerin. Und wahrscheinlich würde sie für sie nicht nur Gitarren, sondern auch Klaviere bemalen. Wenn nicht gar ganze Konzerthäuser.

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