Großzügiger Spender: Ein Fürther verteilt sein Erspartes

28.2.2019, 11:00 Uhr
Martin Ermer (re.) ist in seinem Element - auf dem Sportplatz.

© Thomas Scherer Martin Ermer (re.) ist in seinem Element - auf dem Sportplatz.

Das kleine Ding ist unscheinbar, gibt aber den Takt vor: Immer nach 30 Minuten schellt die Eieruhr auf dem Tisch im Wohnzimmer, dann weiß Martin Ermer, es ist wieder Zeit, die Muskulatur ein wenig zu fordern. Gerade abends im Fernsehsessel wäre die Verlockung schließlich groß, es sich stundenlang gemütlich zu machen. Nicht bei Martin Ermer – entweder packt er dann die in Griffweite liegenden pinkfarbenen Hanteln, macht Übungen oder setzt sich auf den großen Gymnastikball. Treppensteigen gehört zum Programm und natürlich Übungen mit dem Deuserband. Man wird eben nicht umsonst 90 Jahre alt und bleibt dabei so fit und agil wie der gebürtige Fürther. "Anders", sagt er, "geht das nicht."

Ermer ist in der Altstadt aufgewachsen, genauer in der Rednitzstraße, an der Stelle, an der jetzt die Stadthalle steht. Also nicht am alten Gänsberch, aber gleich daneben. "Da wurde kein Unterschied gemacht", sagt Ermer schmunzelnd, seine Augen blitzen vergnügt. Wenn er als Kind oder Jugendlicher irgendwo hin wollte, musste er laufen. Die Wege führten zum Lohnert-Sportplatz in der Südstadt oder in die Halle der Ottoschule, wo er bei der Kraftsportabteilung Fürth als Achtjähriger als Ringer über die Matte kugelte. Schuld daran war übrigens ein Nachbar, der ihm die olympische Disziplin mit den Worten "da bekommst du eine Keilbrust" empfahl.

Einen Oberkörper wie ein Bodybuilder? Na ja. Ringen würde Martin Ermer Kindern und ihren Eltern für die ersten sportlichen Schritte dennoch empfehlen – oder Turnen. Weil dabei alle Muskeln und Gelenke beansprucht werden, Mädchen und Jungen so ihre Koordinationsfähigkeiten optimal entwickeln und schulen.

Nur vier von 1000 Kindern konnten Seil springen

Wie schlecht es um die motorischen Qualitäten bestellt ist, erfuhren der vitale Senior und seine Frau Emilie bereits vor elf Jahren im Zuge einer Übungsleiterfortbildung: Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg hatten bei einem Test mit Erstklässlern festgestellt, dass nur vier von fast tausend Kindern das einfache Seilspringen beherrschten. Die Ermers wollten etwas tun und spendeten unter dem Motto "Helft unseren Kindern auf die Sprünge!" alle Kindergärten in Stadt und Landkreis mit Springseilen aus – der Anfangspunkt ihrer Initiative.

Martin Ermer ist ein Mann, der schon immer angepackt hat. Als er 1958 das Ringertrikot an den Nagel hängte, weil die Arbeit ihren Tribut forderte, verschlug es ihn zum Kinderturnen. Sein Frau war dort Übungsleiterin, er half, auch als Funktionär. Beim SV Poppenreuth war er lange Zeit 2. Vorsitzender. Hier etablierte er eine Versehrtensportabteilung – als diese wuchs und wuchs, gründete er schließlich den Behinderten- und Vitalsportverein Fürth und stand über 40 Jahre an dessen Spitze. Er hat sich getraut, geistig behinderte Menschen an den Sport heranzuführen und hob später mit anderen den Landesleistungsstützpunkt Leichtathletik für diese besonderen Athleten aus der Taufe.

Sportabzeichen noch mit 81

Die olympische Kerndisziplin war auch sein Ding. 44 Mal absolvierte Martin Ermer das Sportabzeichen, zuletzt mit 81 Jahren. Seine Stärke? Kugelstoßen, sagt er. Die Bestweite? Da muss die Urkunde an der Wand weiterhelfen: 8,71 Meter sind für das fünf Kilogramm schwere Sportgerät vermerkt. Unnötig, zu erwähnen, dass der längst zum Veitsbronner mutierte Fürther das Sportabzeichen als Prüfer auch abnahm.

Warum diese jahrzehntelange Einsatzbereitschaft? Früher, Martin Ermer erzählt das ohne jegliche Sentimentalität, sei alles ein wenig anders gewesen. Verein meinte Gemeinschaft, die Abteilung war wie eine Familie, der Zusammenhalt groß. Heute laute der Dreiklang dagegen oft nur noch: Sport machen, duschen, abhauen. Jetzt, im Alter, kommt dank seines Engagements, das ihm immer selbstverständlich war, einiges zurück: "Ich habe viele Freunde, die sich um mich kümmern." Umso wichtiger seit dem Tod seiner Frau vor einigen Jahren.

Die Hälfte wollten sie spenden

Mit ihr hatte Martin Ermer vereinbart, die Hälfte des Ersparten zu spenden, sobald einer von ihnen gestorben ist, denn "gebunkert wird nichts". Und so kam es: 60.000 Euro gingen an die Stadt Fürth, 30.000 Euro an die Gemeinde Veitsbronn, und 10.000 Euro an verschiedene Vereine. Schon früher hatte das Ehepaar seine Übungsleiterpauschalen den Vereinen überlassen. Konnte ein Kind sich keine Turnschuhe oder einen Trainingsanzug leisten – die Ermers halfen.

Freuen durften sich im Herbst vergangenen Jahres dann wieder die Kindertagesstätten: Anlässlich seines 90. Geburtstags packte Martin Ermer noch einmal über 55.000 Euro aus. Was davon angeschafft werden soll, der Jubilar machte da keine Vorschriften. Wobei – eine Bedingung gab es natürlich: Sportgeräte sollten es sein, um die Kinder in Bewegung zu bringen. Ermer hat einen Freund, der in Fürth ein kleines Sportgeschäft betreibt. Er bringt seine Kataloge mit, daraus dürfen die Beschenkten dann auswählen. Den jüngsten Ringern aus Laubendorf hat Martin Ermer selbst etwas spendiert, eine eigene Matte fürs Training. Bei den Sportfreunden ist er übrigens seit vier Jahren Mitglied.

Goldenes Kleeblatt als Dank

Sein immenses Engagement hat ihm Lob und Auszeichnungen eingebracht. Von der Gemeinde Veitsbronn gab es die Bürgermedaille, von der Stadt Fürth schon 2006 für seine Frau und ihn das Goldene Kleeblatt. Stolz? "Ein wenig", sagt Martin Ermer, "aber ich bin keiner, der sich das unbedingt an den Anzug hängt."

Das Herz hat ihm zuletzt zu schaffen gemacht. Ausgerechnet er, der vom Wohnzimmer aus auf die Liegewiesen des Veitsbads blicken kann, darf deshalb nicht mehr ins Wasser – und noch viel schlimmer, nicht mehr in die Sauna: "Eine Strafe", sagt Ermer, wischt die Worte aber gleich wieder weg, weil Zufriedenheit seiner Meinung nach das Allerwichtigste im Leben ist. "Wer nicht zufrieden ist, ist nicht gesund." Da könnte dann auch die Eieruhr nicht helfen.

2 Kommentare