Gustavstraße: Gerichtsurteile setzten Stadt Fürth unter Druck

22.12.2014, 10:45 Uhr
Gustavstraße: Gerichtsurteile setzten Stadt Fürth unter Druck

Gesetze können unbequem sein. Sie sind es oft dann, wenn sie dem Gerechtigkeitsempfinden der Masse widersprechen – wie es nun der Fall ist: Dass in der Großstadt Fürth, in der das Nachtleben ohnehin überschaubar ist, über Einschnitte in der einzigen Kneipenstraße verhandelt wird, finden viele absurd. Es wäre für etliche aber vermutlich akzeptabler, wenn das Grüppchen derer, die die Geräuschkulisse beklagen, nicht so klein wäre – und die Gruppe derer, für die Fürth damit an Lebensqualität verliert, so groß.

Für die Richter spielt es keine Rolle, wie groß der Kreis der Kläger ist. Das haben die vergangenen Jahre deutlich gemacht. Die Hinweise und Urteile verschiedener Kammern des Verwaltungsgerichts Ansbach haben den Verhandlungsspielraum des Oberbürgermeisters bei der Mediation eingeengt.

Die höchsten Gewinne der Stadt bei dieser Mediation, sagte OB Thomas Jung am Freitag, seien der Erhalt der 23-Uhr-Außensperrzeit und "die Rettung des Grafflmarkts in seiner traditionellen Form" – beides war akut bedroht. "Das liegt weit über dem, was gerichtlich möglich gewesen wäre", sagt Jung.

Erreicht hat die Stadtspitze zudem, dass kein Fest entfallen muss. Und: Das Weinfest wird zwar von sechs auf vier Tage gekürzt. Dass die Gäste aber am Freitag und Samstag des Fests bis 23.30 Uhr (bisher 24 Uhr) draußen bewirtet werden dürfen und weiter eine "verdichtete" Bestuhlung gestattet ist, schien nach den Entscheidungen der Richter außer Reichweite.

"Das Risiko lag bei der Stadt Fürth"

In puncto Außensperrzeit hatten Ansbacher Richter darauf beharrt, dass auch in der Gustavstraße die Nachtruhe ab 22 Uhr beginnt. Die Stadt ging in Berufung, doch die Chancen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof anders urteilen würde, waren nicht die besten. "Das Risiko war hier deutlich mehr auf Seite der Stadt Fürth", schätzt Rechtsreferent Christoph Maier.

Ein Urteil im Lärmstreit der Stadt Regensburg hatte Fürth zunächst Hoffnung gegeben. Doch kürzlich, so Maier, sah sich auch Regensburg gezwungen, Anwohnern "deutlich entgegenzukommen".

Der Städtetag hat sich, wie berichtet, engagiert, um die 23-Uhr-Regelung abzusichern, bisher allerdings sieht der Freistaat als Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf.

Was das Flair der Gustavstraße ausmacht – dass sich hier beliebte Kneipen aneinanderreihen und sie zudem bei vielen Veranstaltungen der pulsierende Mittelpunkt ist – ist vor Gericht ein Nachteil für die Kommune: Denn um Anwohner vor Lärm zu schützen, ist nur eine begrenzte Zahl von Veranstaltungen, genauer: Veranstaltungstagen, gestattet. Nur an einzelnen davon darf es sehr laut zugehen ("sehr seltene Ereignisse"). Diese Kategorie sahen die Richter mit dem dreitägigen Fürth-Festival und dem zweimal-jährlichen Grafflmarkt schon ausgereizt.

In Gefahr war das Weinfest: Hier sahen die Richter die Lärmwerte ab 20 Uhr überschritten. Das Verwaltungsgericht bestand heuer auf einem Ende um 22 Uhr und schloss weitere Einschnitte nicht aus. Angesichts dessen muss man die jetzige Vereinbarung in diesem Punkt als Erfolg werten.

Beim Grafflmarkt zweifelten die Richter daran, dass der nächtliche Außenausschank als Teil der Veranstaltung zu betrachten ist. Im September ordneten sie via Eilbeschluss an, ab 22 Uhr die zusätzliche Bestuhlung abzubauen und um 23 Uhr draußen komplett Schluss zu machen. Wird hingegen die Vereinbarung vom Stadtrat abgesegnet, darf künftig – und zwar weiterhin bei verdichteten Bewirtungsflächen – im Frühjahr innen und außen bis 1 Uhr, im Herbst draußen bis 24 Uhr und innen bis 2 Uhr gefeiert werden.

Besonders schmerzhaft

Zu den Zugeständnissen der Stadt gehört, dass Metropolmarathon und Fürth-Lauf nicht mehr durch die Gustavstraße führen sollen. Als größeren Verlust dürften etliche empfinden, dass beim Fürth-Festival keine Bühne mehr in der Gustavstraße stehen wird. Auch dürfen die Wirte hier nicht mehr, wie früher, zusätzliche Sitzplätze anbieten, der Außenausschank ist wie an regulären Tagen bis 23 Uhr erlaubt (vorher durften die Gäste am Freitag und Samstag bis 24 Uhr sitzen bleiben).

Die Löwenbar müsste - wenn die Vereinbarung wirksam wird - künftig an allen Tagen um 2 Uhr schließen; bisher durfte sie am Wochenende bis 4 Uhr geöffnet sein.

Die Stadt würde sich zudem verpflichten, Fußballfeste mit Ausnahme einer Aufstiegsfeier in der Gustavstraße nicht mehr zu genehmigen. Vor Gericht hätte sie regelmäßige Feiern aber schwerlich als "sehr seltene Ereignisse" mit gelockertem Lärmschutz verkaufen können.

Als "schmerzhaftestes Zugeständnis" wertet OB Jung die um 25 Prozent reduzierte Außenbestuhlung, die alle Gastronomen in der Gustavstraße betrifft. Kerstin Sabine Kreitinger, die Anwältin des Klägers, verweist darauf, dass in den vergangenen Jahren manche Freischankbereiche erweitert oder ganz neu geschaffen wurden, und betont: Man sei der Stadt insgesamt weit entgegengekommen, auch mit der reduzierten Bestuhlung würden die Lärmgrenzen noch "deutlich überschritten": "Selbst bei einer Reduzierung um 70 Prozent wäre man noch drüber."

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