Handwerk und Musik: Ein Leben mit zwei Leidenschaften

3.4.2017, 13:00 Uhr
Handwerk und Musik: Ein Leben mit zwei Leidenschaften

© Foto: Sabine Rempe

Jochen Weiß war gerade einmal 23 Jahre alt und frischgebackener Kachelofenbauermeister, als sein Leben auf eine überraschende Wende zusteuerte: "Beinahe wäre ich damals Berufsmusiker geworden", erinnert sich der 75-Jährige heute. Wie kam es dazu? "Bei den Nürnberger Symphonikern war eine Hornistenstelle frei geworden und ich wurde zum Probespiel eingeladen." Die Chance standen gut für den jungen Mann, der nie ein Konservatorium besucht hatte, aber seit vielen Jahren von einem Profi unterrichtet wurde.

Dennoch entschied sich Weiß 1964 aus vielen guten Gründen gegen eine Musikerkarriere. Er legte eine weitere Meisterprüfung ab, diesmal als Fliesenleger, und führte den von seinem Vater gegründeten Fachbetrieb in Roßtal weiter. Trotzdem kann er heute sagen: "Die Musik, das ist einfach mein Leben." Denn Jochen Weiß glückte es, seinen Beruf als Handwerker und seine Leidenschaft für sein Instrument miteinander zu vereinen. Bis heute fährt er an drei bis vier Abenden in der Woche zu Proben: "Wenn ein Konzert ansteht, dann natürlich noch öfter."

Begonnen hatte für ihn alles 1954 mit der 1000-Jahr-Feier in seiner Heimatgemeinde Roßtal. Damals wurde zu Ehren dieses Festes ein großes Singspiel komponiert und einstudiert: "Meine Mutter und mein Vater haben mitgesungen", erzählt Weiß, "und ich wusste seitdem genau, dass ich unbedingt in einem Orchester mitspielen will." Als 13-jähriger Bub wurde er Mitglied im Roßtaler Posaunenchor. Doch zunächst musste er fleißig üben.

Sein erstes Instrument war ein Flügelhorn, vergleichbar einer Trompete. "Rektor Groh meinte dann einmal, Waldhorn würde ich natürlich nie lernen, das sei viel zu schwierig." Eine Einschätzung, die für Jochen Weiß zum Anreiz wurde. Er nahm Unterricht bei Anton Gebert, einem Hornisten der Nürnberger Symphoniker – und war bald so hervorragend, dass es zu dem einmaligen Angebot kam, als vollwertiges Mitglied in den Orchestergraben einzuziehen.

Theaterluft geschnuppert

Theaterluft schnupperte der junge Musiker, der zugleich seine Brötchen als fleißiger Handwerksmeister verdiente, tatsächlich, als er mehrmals als sogenannter Bühnenmusiker im Nürnberger Opernhaus dabei war. Vor zwanzig Jahren musste er allerdings um sein Musizieren bangen: "Ich wurde operiert, das war nicht ungefährlich." In die Klinik nahm er das Mundstück seines Instruments mit: "So bald wie möglich habe ich ausprobiert, ob ich noch spielen kann."

Seine Erleichterung war groß, als er spürte, dass alles in Ordnung war. Dass er seither seinen rechten Arm nicht mehr wie zuvor bewegen kann, nimmt er mit großer Gelassenheit: "Die Ventile werden ja mit der linken Hand bedient." Der versierte Hobby-Musiker engagiert sich in vielen Ensembles, wird oft angerufen, wenn ein ausgezeichneter Hornist gefragt ist. Bis heute hat er aber auch dem Roßtaler Posaunenchor die Treue gehalten und kümmert sich dort zum Beispiel intensiv um die Ausbildung der jungen Bläser.

Bereits 1964 schloss er sich der traditionsreichen Orchester-Gemeinschaft Nürnberg an, die mit ihren rund 70 Mitgliedern zu den großen Laien-Vereinigungen dieser Art in Bayern gehört und ein breites Repertoire von der Klassik bis hin zu Musicals pflegt.

Am Sonntag leitet Christian Hutter die Orchester-Gemeinschaft Nürnberg in der Roßtaler St. Laurentius Kirche. Der Dirigent, der ebenfalls in Roßtal aufgewachsen ist, hat unter anderem einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Nürnberg und ist Chorleiter des Männergesangvereins 1869 Roßtal. Auf dem Programm steht neben der Reformations-Sinfonie von Felix Mendelssohn-Bartholdy das Intermezzo aus Cavalleria Rusticana von Pietro Mascagni und ein Kurzvortrag von Landessuperintendent Detlef Klahr. Beginn ist um 19 Uhr.

Im Orchester werden neben Jochen Weiß übrigens noch weitere Roßtaler sitzen. "Hier war schon früher immer ein Musiker-Nest", überlegt der 75-Jährige und freut sich, weil sich daran augenscheinlich nichts geändert hat.

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