Helfer stehen Schlange

4.12.2009, 00:00 Uhr
Helfer stehen Schlange

© Thomas Scherer

«Haben wir so eine Einrichtung überhaupt nötig?» Mit dieser Frage aus der Bevölkerung sieht sich Kirsten Landauer des Öfteren konfrontiert. «Es mag schon sein, dass hier am Land die Familien noch mehr abfedern als in den großen Städten, aber die heile Welt von früher ist Vergangenheit», sagt sie.

Armut in Langenzenn: Marion Ströbel, die in der Elternbeirats-Arbeit an den Schulen engagiert ist, macht sie an Kindern fest, die regelmäßig ohne Pausenbrot in die Schule kommen - «und das nicht, weil sich die Eltern nicht darum kümmern würden, sondern weil es ersichtlich ist, dass es dafür einfach nicht reicht.»

Armut am Land

Von Armutsschicksalen am Land kann auch Dagmar Keller, die seit Jahren in der ökumenischen Nachbarschafthilfe aktiv und eine der Initiatorinnen der Tafel ist, erzählen. Von der über 80-jährigen, schwerkranken Frau etwa, die einmal kleinlaut eingestand, seit zwei Tagen kein Brot mehr im Hause zu haben. Und sich hinterher von der Tochter vorwerfen lassen musste, wie sie nur eine Fremde um Hilfe bitten konnte. Oder von der Alleinerziehenden, deren Tochter selbst im Jahr vor der Einschulung nicht in den Kindergarten geht, weil dafür das Geld nicht da ist. Armut beschämt und isoliert. Dass diese Menschen ihre Scheu überwinden, die Hilfe, die die Tafel bietet, anzunehmen, hofft Ströbel, «auch wenn der Mechanismus, die Situation nach außen hin zu überspielen, ausgeprägt ist». Allein die 40 Langenzenner, die noch zu Ausgabestellen in Fürth pendeln, belegen für das Tafel-Team den Bedarf. Das Potenzial an Kundschaft liegt allerdings erheblich höher.

340 Hartz-IV-Empfänger sind in der 10 000-Einwohner-Stadt gemeldet, wie viele Senioren mit schmaler Rente oder Geringverdiener ebenfalls von der Tafel profitieren könnten, darüber lässt sich nur spekulieren. Wer als Single abzüglich fixer Kosten nicht mehr als 770 Euro im Monat zum Leben hat, bekommt den Abholausweis. Er berechtigt, sich einmal in der Woche für den symbolischen Betrag von einem Euro mit Lebensmitteln einzudecken.

Eine Einkommensgrenze, mit der sich die Langenzenner an den benachbarten Tafeln in Fürth und Neustadt/Aisch orientiert. Im Blick auf die Fürther Tafel sind die Langenzenner allerdings ausgeschert: Als einzige der inzwischen fünf Gratistheken im Landkreis kooperieren sie nicht mit den Fürthern. «Das war ein gemeinsamer Beschluss der Initiatoren, getragen von der Hoffnung, dass die Spendenbereitschaft der Langenzenner größer ist, wenn der Verein am Ort angesiedelt ist», wie Landauer erklärt. Die Rechnung scheint aufgegangen zu sein. Mit an die 15 Spender hat fast der komplette Lebensmittelhandel am Ort zugesagt, aus den Regalen sortierte oder knapp vorm Verfallsdatum stehende Ware gratis abzugeben.

In Absprache mit den Nachbar- Tafeln wurden die Terrains klar abgesteckt. Der Einzugskreis der Langenzenner konzentriert sich ausschließlich auf die politische Gemeinde. Der Kirchensprengel würde auch Cadolzburg einschließen. Dort aber gibt es bereits eine Ausgabestelle der Fürther Tafel. Der Zenngrund wird zum Teil von Neustadt/Aisch versorgt. Missbrauch wolle man damit vorbeugen, so Landauer, andernfalls wäre es möglich, dass sich Einzelne bei mehreren Tafeln eindeckten.

Diese Absprache hat zur Folge, dass Langenzenner mit Bezugsschein bei Ausgabestellen der Fürther Tafeln dort künftig nicht mehr bedient werden. Worüber sie nicht traurig sind, wie Ströbel die Reaktion einer Betroffenen schildert. Das spart die 9 Euro für die Zugfahrt, viel Geld, wenn die Haushaltskasse ohnehin auf Kante genäht ist. Ein Vorteil, den Bewohner anderer Gemeinden im nördlichen Landkreis nicht haben. Ihnen bleibt die nahe gelegene Langenzenner Tafel mit dieser Absprache verschlossen.

Auf eine enorme Unterstützung konnte der Tafelverein bereits bei der Renovierung des Vereinsdomizils zählen. Die Altbauwohnung, die die Stadt im Klinkerbau am Bahnhof mietfrei zur Verfügung stellt, musste von Grund auf saniert werden. Feuerwehrler kamen zum Verputzen, mancher Handwerker schickte stundenweise Mitarbeiter zum Nulltarif vorbei. Der Rest wurde von Ehrenamtlichen an Wochenenden erledigt.

Ein Architekt hatte die Renovierungskosten auf 35 000 Euro geschätzt. Am Ende waren Rechnungen über 3200 Euro angefallen. Die hat die Stadt übernommen. «Auch wenn die Diskussion um die Tafeln derzeit eher negativ besetzt ist, weil viele meinen, das Armutsproblem zu lösen, ist Aufgabe der Politik, können wir uns in Langenzenn nicht beklagen», findet Ströbel. Vor Ort tue die Politik sehr viel: «Die Stadt ist extrem kooperativ».

Jetzt laufen die von einem Ofenbauer gespendeten Pelletöfen auf Hochtouren, um die Feuchte der Sanierung auszutreiben. Im Lagerraum sind erste Spenden im Regal gestapelt. Auch Bürger liefern Lebensmittel. Die ersten haben hausgemachte Marmeladen vorbeigebracht.

Tafelausgabe ist immer samstags von 13.30 bis 15 Uhr im Erdgeschoss in der Nürnberger Straße 29. Zeitgleich werden auch Berechtigungsausweise ausgestellt.