Hilfe für Midoun: Fürth will Fluchtursachen bekämpfen

18.8.2017, 06:00 Uhr
Straßenszene in Midoun, Tunesien.

© Foto: imago Straßenszene in Midoun, Tunesien.

Beim Pressegespräch stellt Oberbürgermeister Thomas Jung zunächst launig klar, dass er selbstverständlich nicht jeden neuen Mitarbeiter der Stadtverwaltung der Öffentlichkeit vorstellt. Im konkreten Fall handelt es sich um eine befristete Teilzeitstelle. Trotzdem: Mit der Personalie Philipp Abel (28), engagiert für vorerst zwei Jahre und 19,5 Stunden pro Woche, verknüpft der Rathauschef Botschaften, die ihm, wie er zu verstehen gibt, am Herzen liegen.

Sie lauten: Man sollte Fluchtursachen bekämpfen, und zwar durch konkretes Handeln. Und: Der Stadt Fürth gehe es "so blendend wie noch nie in der Nachkriegsgeschichte". Doch bleibe das nur dann so, wenn es auch den Menschen in anderen Teilen der Welt gut gehe. Insofern habe der Vorstoß schon auch eine egoistische Komponente, räumt der OB ein.

In Tunesien ist zurzeit vieles im Aufbruch: Philipp Abel soll die neue Projektpartnerschaft mit Midoun betreuen.

In Tunesien ist zurzeit vieles im Aufbruch: Philipp Abel soll die neue Projektpartnerschaft mit Midoun betreuen. © Foto: Winckler

Philipp Abel, ein gebürtiger Nürnberger, der in Fürth aufgewachsen ist, hat sich unter 60 Bewerbern durchgesetzt. Er hat nach einem Studium in Deutschland und Frankreich einen Master-Abschluss in Politik- und Kommunikationswissenschaften vorzuweisen, war im Entwicklungsdienst in Kigali (Ruanda), hat für das Deutsch-Französische Jugendwerk gearbeitet und spricht nach den Worten des OB "perfekt französisch". Bezahlt wird Abels Koordinierungsstelle zu 90 Prozent von der Organisation "Engagement Global/Servicestelle Kommunen in der Einen Welt". Die SKEW arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Jung sagt, er habe sich selbst für die Schaffung dieser Stelle eingesetzt. Inspiriert hätten ihn dazu zwei Erlebnisse. Zum einen habe sein Amtskollege aus dem italienischen Palermo bei der internationalen Bürgermeisterkonferenz im Dezember in Rom klar gemacht, dass zwar eine Stadt allein die Welt nicht verändern könne, dass sich das aber ändere, wenn 1000 Städte Partnerschaften eingingen. Zum anderen habe Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) beim Bayerischen Städtetag 2016 an die Kommunen appelliert, sich noch stärker in internationalen Partnerschaften zu engagieren und auf diese Weise Fluchtursachen zu bekämpfen.

Annäherung nach dem Krieg

Betreut von der Partnerschaftsbeauftragten Hilde Langfeld pflegt Fürth Städtepartnerschaften mit Limoges (Frankreich), Paisley (Schottland), Marmaris (Türkei) und Xylokastro (Griechenland). Man habe nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen, freundschaftliche Bande mit früheren Kriegsgegnern zu knüpfen und das dann auf die Herkunftsländer hiesiger Gastarbeiter übertragen, sagt Jung. Nun sei die Zeit reif für neue Kontakte, insbesondere nach Nordafrika.

Wie berichtet, unterstützt Fürth inzwischen ein Theaterprojekt im tunesischen Midoun auf der Insel Djerba. Das Land befindet sich im demokratischen Wandlungsprozess, die ersten freien Kommunalwahlen stehen an. Man dürfe sich nicht vorstellen, so Jung, "dass da demnächst 1000 Schulklassen rüberfahren". Abels Aufgabe sei es vielmehr, die begonnene Projektpartnerschaft weiter zu betreuen und zu begleiten. Möglicherweise ergäben sich auch neue Bereiche für die Vermittlung von praktischem Know-How. Schließlich besitze Fürth "viel Solarkompetenz".

Darüber hinaus soll Abel den fairen Handel in Fürth weiter vorantreiben, damit die 2016 erhaltene Auszeichnung "Fairtrade-Stadt" nicht verloren geht. Alle zwei Jahre nämlich prüft der Verein TransFair mit Sitz in Köln, ob die Voraussetzungen für den Titel nach wie vor erfüllt sind, ob es weiterhin genügend Mitstreiter in Handel und Gastronomie gibt.

Bewusster Einkauf

Auch in der Stadtverwaltung wird Abel von nun an kritische Blicke auf das Beschaffungswesen werfen. Denn auch der Einkauf von beispielsweise Büromaterialien oder Berufsbekleidung für städtische Beschäftigte soll Kriterien der Nachhaltigkeit, des fairen Handels und ökologischen Nutzens standhalten.

Bereits seit April gibt es übrigens auch im Landratsamt in Zirndorf eine Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik. Monika Hübner arbeitet, ähnlich wie nun Philipp Adel, daran, dass die kommunalen Verwaltungen und die Kreisverwaltung mehr fair einkaufen.

2 Kommentare