Höflichkeit ist nur in der Gruppe uncool

16.12.2017, 16:00 Uhr
Höflichkeit ist nur in der Gruppe uncool

© Foto: Thomas Scherer

Jugendliche kennen weder das Wort "Bitte" noch "Danke", Höflichkeit ist ein Fremdwort, früher war alles besser – Vorurteil oder Realität, Herr Lassen?

Andreas Lassen: Meiner Erfahrung nach ist es nicht schlechter geworden, sondern besser. Das Problem ist: Jugendliche wissen oft in bestimmten Situationen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Das hat auch damit zu tun, dass Erwachsene im Umgang lockerer geworden sind. Ich will das zwar nicht pauschalieren, aber auch viele Lehrer sind weniger streng und wollen als Kumpeltyp anders an die Schüler ran.

 

Aber gerade seitens der Lehrerschaft wird doch immer wieder Klage geführt, die Schule müsse in Sachen Erziehung das nachholen, was im Elternhaus versäumt werde. Oder, Frau Eberlein?

Ute Eberlein: Die meisten Schüler wissen durchaus, wie sie sich verhalten müssen, nur ist es in der Gruppe eben oft uncool, höfliches Verhalten zu zeigen. Manchmal vergessen sie es auch einfach, und dann ist es gut, wenn jemand wie Herr Lassen sie daran erinnert. Bei einem Externen funktioniert das leichter, denn wir als Lehrer werden immer mit unserer Rolle identifiziert.

 

Früher hießen Ihre Kurse "Benimm ist in", heute geht es um "Moderne Umgangsformen". Sind auch Höflichkeitsregeln dem Wandel der Zeit unterworfen?

Andreas Lassen: Sicher. Heutzutage darf beispielsweise jeder jedem, unabhängig vom Geschlecht, die Tür aufhalten. Oder nehmen Sie das Handy – das gab es vor 30 Jahren schlichtweg nicht. Heutzutage hat quasi jeder ein Smartphone und damit sind wir bei der Frage: Wie verhalte ich mich damit? Zu welchen Gelegenheiten schalte ich es aus oder stecke es erst gar nicht ein?

 

Wie sieht Ihr Angebot als Benimmlehrer aus?

Andreas Lassen: Der bin ich nicht, Früher, in den 1920er und 30er Jahren, gab es in den Schulen Sittenkunde, da wurden die Kinder dressiert. Ich will sie auf verschiedene Situationen im Leben vorbereiten. Wie verhalte ich mich im Beruf oder beim Restaurant-Besuch? Wie kleide ich mich beim Bewerbungsgespräch, was ziehe ich bei einer Hochzeit oder bei einer Beerdigung an? Insgesamt habe ich sechs Themenbereiche, die einmal monatlich über das Schuljahr verteilt werden. Pro Schüler kostet das 50 Euro.
 

Vorstellungsgespräche kommen früher oder später auf jeden Jugendlichen zu. Was sind dabei die gröbsten Fehler?

Andreas Lassen: Mit der Hand voraus auf jemanden zuzustechen. Wenn man ins Zimmer kommt, sollte man zunächst abwarten, sich vorstellen und sagen, weshalb man hier ist. Die Hand gibt immer der Ältere oder Vorgesetzte zuerst – wenn er das will.

 

Aber was hat dieses Angebot eigentlich mit Prävention zu tun?

Ute Eberlein: Es gibt drei Ebenen der Prävention: Erstens, schon lange bevor etwas passiert ist; zweitens, wenn Probleme auftreten; drittens, wenn etwas geschehen ist. Das Umgangsformen-Seminar ist ebenso wie der Tanzkurs, den wir mit Herrn Lassen in der Tanzschule Forum anbieten, Primär-Prävention. Dazu erzähle ich immer meine Highlight-Geschichte: Wir hatten einen Jungen, der weder im Unterricht leistungsmäßig gut noch eine Sportskanone und in der Klasse wenig anerkannt war. Und dann steht er auf dem Parkett und tanzt ganz toll. Von da an sind seine Mitschüler anders mit ihm umgegangen. Das gesamte Klima hat sich verändert.

 

Wie kommt das Angebot an?

Andreas Lassen: Das Problem sind oft die Kosten, da Schulen für diese Dinge kein Budget haben. Besteht ein Förderverein, geht es leichter.

Ute Eberlein: 1-2-3 leistet eine Anschubfinanzierung, pro Schule 100 Euro. Die Schüler sind begeistert, begehrt ist auch das Zertifikat, das sie bekommen und für Bewerbungen nutzen können. Das ist etwas Fundiertes, denn Herr Lassen ist schließlich IHK-Trainer für Umgangsformen im Beruf. Derzeit haben die Mittelschulen Zirndorf und Oberasbach und das Gymnasium Stein den Kurs gebucht. Wer will, kann sich melden, entweder über die Geschäftsstelle von 1-2-3 oder bei mir.

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