„Ich will keine Roboter auf Schienen setzen“

2.2.2015, 05:58 Uhr
„Ich will keine Roboter auf Schienen setzen“

© Foto: Zink

Einen wie Lukas Podolski gibt es nicht alle Tage. Tat sich der 29-Jährige im Team des Weltmeisters zuletzt schwer, seine Einsatzzeiten zu bekommen, zählt der 121-fache Nationalspieler dennoch zu den Vorreitern einer neuen Generation deutscher Ausnahmetalente. „Bei ihm hast du schon im allerersten Training mit den Profis gemerkt, dass er es schaffen und sich durchsetzen kann. Körperspiel und Athletik waren beeindruckend“, sagt Christian Springer.

Der 43-jährige Forchheimer konnte einst als Mitspieler beim 1. FC Köln die ersten Karriereschritte des 18-jährigen Noch-A-Jugendlichen beobachten. Selbst beförderten sie den Linksfuß Springer bei der SpVgg Jahn in den späten Achtzigerjahren als 17-Jährigen in den Kader der Landesliga-Herren, ehe ihm der Sprung in die Bundesliga zum FC St. Pauli und schließlich Köln gelang.

Es war eine Zeit, in der ausländische Stars den Glanz in die Liga brachten und die heimische Fußballkultur in eine Krise rutschte. Dass Springer nie die Jugendabteilung eines Profiklubs durchlief, ist heute unvorstellbar. Diese Erfahrung holt er nun nach, als Co-Trainer der Bundesliga-U 19 bei der SpVgg Greuther Fürth. Mitten in einer goldenen Ära des deutschen Fußballs, gekrönt vom WM-Titel in diesem Jahr und eingeleitet von einer Flut an topausgebildeten Akteuren aus den Nachwuchsleistungszentren des Landes, deutet sich ein Dilemma an.

„Spieler wie Podolski oder Götze sind die Ausnahme. Die Gretchenfrage in der Nachwuchsarbeit ist aus meiner Sicht, wie wir mit denen umgehen, die den Sprung nicht gleich schaffen“, erklärt Christian Springer. In der Tat werden die Bundesliga-Debütanten immer früher ins kalte Wasser geworfen, viel Eingewöhnungs- und Entwicklungszeit bleibt den Youngsters nicht. Bayer Leverkusen hat sogar seine U 23-Mannschaft abgeschafft. Der Leistungsdruck ist immens, nicht nur bei denjenigen, die von Spitzenklubs verliehen und sozusagen bei schwächeren Mitbewerbern auf Probe arbeiten.

Vereine in der Zwickmühle

Bei der Spielvereinigung schlägt der Wandel ebenfalls durch. „Wir haben Jungs, die in ihrem A-Jugend-Jahrgang zu den Besten gehören und als Belohnung bei den Profis reinschnuppern dürfen“, sagt Christian Springer. Alle Vereine befänden sich jedoch in der Zwickmühle, wenn die Jungspunde dann erstmals an ihre Grenzen stoßen und im Wettkampfbetrieb selbst bei der U 23 noch nicht benötigt werden und Reibung entsteht. „Da ist viel psychologische Arbeit nötig. Zudem fehlt den Talenten dann durch ihre häufige Abwesenheit die Bindung zu ihrer eigentlichen Jugendmannschaft“, findet Springer.

Dass der Familienvater seine besten Talente gerne, so lange es das Alter zulässt, für seine A-Jugend spielen sieht, hat auch praktische Gründe. Mit 13 Zählern rangiert die Fürther U 19, zum größten Teil bestehend aus den älteren Spielern der letztjährigen B-Jugend auf Abstiegsplatz zwölf, zwei Punkte hinter dem rettenden Ufer.

„Wenn sich dein Nachwuchs nicht konstant auf Bundesliga-Niveau messen kann, wirkt sich das wiederum negativ auf ihr Leistungspotenzial aus. Aber ich bin mir sicher, dass wir die Kurve bekommen und die Klasse halten.“ In der Spielzeit 2013/2014 mussten die A-Junioren des 1. FC Nürnberg nach dem bitteren Abstieg eine Saison mit der Bayernliga vorlieb nehmen, prompt verloren sie Junioren-Nationalspieler Pascal Itter an Schalke. Die Arbeit mit dem ambitionierten Nachwuchs macht Springer unterm Strich große Freude: „Die Infrastruktur in Fürth ist hervorragend, die Bedingungen sind auf allen Ebenen professionell und die Abläufe gleichen denen in der Bundesliga.“

Individueller Fitnessplan

Von den Talenten am NLZ wird viel verlangt. Ein normaler Wochenrhythmus umfasst drei bis vier Trainingseinheiten, in den Schulferien wird zweimal am Tag geübt. Einmal pro Woche arbeiten die Spieler vor dem Training im Kraftraum eigenständig einen individuellen Fitnessplan ab. Für die bestmögliche körperliche Konstitution des Teams sorgen die wöchentlichen Einheiten mit dem Athletik-Coach.

In regelmäßigen Abständen gibt es Ernährungstipps, ständig zur Verfügung steht ein Mentaltrainer. „Die große Herausforderung ist der Zeitdruck, unter dem die Jungs zu fertigen Spielern reifen sollen“, verrät Springer. Klar, dass die Persönlichkeitsentwicklung zum jungen Erwachsenen nicht immer im Einklang mit den Entbehrungen dieser Maschinerie stattfindet, zu deren Eigenheiten es auch gehört, dass nahezu jeder 16-Jährige bereits einen Spielerberater hat.

„Gerade deshalb musst du bei noch pubertierenden Jugendlichen eben mal wegschauen können“, so Springers Philosophie. „Ich will keine Roboter auf Schienen setzen, sondern dem Team innerhalb von Leitplanken Freiraum lassen.“ Eine strengere Disziplin würde der 43-Jährige bei einem Regionalligisten walten lassen.

Eine zentrale Aufgabe des Forchheimers bei der U 19 ist die Gegner-Analyse. Drei bis vier Stunden pro Woche studiert der Ex-Profi die Videobilder. „Die Stärken und Schwächen anderer Mannschaften und deren Einzelakteure zu kennen, ist ein wichtiger Bestandteil der Spielvorbereitung. Wir geben das an unsere Jungs weiter. Es ist oft entscheidend, zu wissen, welche wiederkehrenden Varianten bei Standardsituationen auf einen zukommen können.“

Die eigene Trainer-Zukunft hat Christian Springer, der bis zum Saisonende in Fürth unter Vertrag steht, indes so geplant: „Ich peile meinen Fußballlehrer an.“ Ein realistischer Weg, um sich für das jährliche Auswahlverfahren der renommierten DFB-Akademie bewerben zu können, wäre die Arbeit als hauptverantwortlicher Trainer einer Juniorenmannschaft (U 17, U 19) in der Bundesliga oder eines Herren-Teams ab der Landesliga. Ab Sommer dürfen sich die Interessenten melden.

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