Im Himmel ist es fad

18.12.2014, 12:30 Uhr
Im Himmel ist es fad

© Draminski

„Wer von euch will in den Himmel?“, fragt scheinheilig Sänger Michael Robert Rhein alias Das letzte Einhorn in die Runde. Hebt sich da überhaupt ein Finger? Wozu auch, im Himmel ist es bestimmt schön, aber langweilig. Nur Idyll, Frieden, Glückseligkeit. Hippiekram der Altvorderen. „Wer von euch will in die Hölle?“ Da sausen die Hände nach oben, gerne auch zur Teufelsfaust geballt. Ja, in der Hölle, da geht es heiß her, extrem laut, wild und infernalisch.

Wie kommt man in die Hölle? Zum Beispiel durch „Kunstraub“. So heißt die neue InEx-CD, die den spektakulären Kunstraub von Rotterdam im Jahr 2012 besingt. So raffiniert die Diebe sich angestellt hatten, so plump gingen sie beim Verscherbeln vor. Jedem Hehler war die Sache zu heiß, schließlich verheizte eine besorgte Mutti die Bilder im Ofen.

Aber in der Hölle, da sind wir doch schon. Will uns In Extremo zumindest weismachen. Das muss man dem Septett zugute halten. Auf der Zielgeraden zum zwanzigjährigen Bandjubiläum haben sie kaum etwas an krasser Wildheit eingebüßt. Und doch - irgendwie scheint sich da eine gewisse Routiniertheit eingeschlichen zu haben.

Klar, die Gitarren schrammeln und die Bässe wummern, dass die Lungenflügel vibrieren und die Plomben scheppern. Dazu dröhnen zwei Dudelsäcke in enervierend hoher Lage, als gelte es, die Engländer ins Meer zu werfen, und Doktor Pymonte probiert von der Keltenharfe bis zum Trummscheit und zur Nyckelharpa so ziemlich alles aus, was das Mittelalter an Instrumenten hergibt. Derweil krakeelt Das letzte Einhorn sich die Seele aus dem Leib, auf Kosten der Textverständlichkeit. Nichteingeweihte wissen nicht, was er da singt, und müssen sich ganz auf die Ansage verlassen. Von der Hexe Bella Donna ist die Rede, von missachteten Gauklern oder von der direkten Aufforderung „Küss mich“. Aber den „Kunstraub“Kennern macht’s nichts aus, sie erkennen jeden Song eh gleich beim ersten Takt und grölen begeistert mit.

Speiende Vulkane

Wem das immer noch nicht reicht, für den brennen In Extremo im wahrsten Sinne des Wortes ihr sattsam bekanntes Feuerwerk ab. Es blitzt und kracht von der Decke, vorne und hinten speien Vulkane im Takt mannshohe Flammenzungen empor. Noch dazu in bengalischer Färbung, mal orange, mal rot, mal türkis. Bei jeder Eruption wallt den Besuchern eine Hitzewelle ins Gesicht, die man noch bis in die hinteren Reihen spürt. Die armen Musiker, die müssen sich ja wirklich wie in der Hölle fühlen.

Voller Einsatz zehrt an den Kräften. Ruhige Stücke, gar Balladen, sind ihre Sache nicht, zumindest nicht an diesem Abend. Nach zwei Stunden ist der Höllenritt schon wieder vorbei. Irgendwie hatte man doch noch etwas mehr erwartet. Aber was? Vielleicht etwas Episches, einen richtig runden Bogen zum Abschluss? Warten wir auf das Fest zum Zwanzigsten.

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