Im Stakkato der Kurznachrichten

7.10.2015, 16:45 Uhr
Im Stakkato der Kurznachrichten

© Foto: Stadttheater/Th. Langer

Thomas Stang führt in der Produktion mit dem Kult-Ensemble des Stadttheaters Regie. Die Premiere ist zugleich die Fürther Auftaktveranstaltung des Großraum-Festivals „net:works. Kultur und Öffentlichkeit zwischen analog und digital“. Ein ausführlicher FN-Vorbericht zum Festival folgt.

„Dieses Stück ist alles andere als harmlos.“ Ein Urteil, das Regisseur Thomas Stang schon beim ersten Lesen fällte. Das war vor drei Jahren. Gerechnet in den sekundenschnellen Zeiteinheiten, die uns die meisten sozialen Netzwerke vorgeben, darf man also getrost von einem Erstkontakt in grauer Vorzeit sprechen. Trotzdem kam Stang die Arbeit von Guillaume Corbeil jetzt sofort wieder in den Sinn. Und das nicht nur, weil „Man sieht sich“ für fünf Darsteller geschrieben ist, was exakt der Anzahl der Kult-Ensemblemitglieder entspricht.

Was das Stück wie maßgeschneidert erscheinen lässt für den Einstieg in ein Festival, das sich mit Konsequenzen der umfassenden Digitalisierung beschäftigt, ist seine Aktualität in Thema und Sprache. Die fünf Protagonisten (Damjan Batistic, Tristan Fabian, Julia Hell, Josephine Mayer, David Schirmer) kommunizieren im Stakkato-Stil jener Kurznachrichten, die uns ununterbrochen erreichen. An die Stelle von Monologen und Zwiegesprächen sind auch auf der Bühne Minimal-Verlautbarungen und Bilder getreten.

Im Fokus steht ein Ereignis. Eine Party. Allmählich kristallisiert sich in der virtuellen Aufbereitung dieses Abends ein facettenreicher Blick auf die Ereignisse heraus. Und, wie gesagt, harmlos ist der nicht.

Für die große Halle des Kulturforums hat Peter Wendl eine Drehbühne gebaut. Jeder Darsteller meldet sich aus einem Segment dieses Runds heraus zu Wort. Tortenstücken ähnlich sind diese Räume, die Begrenzung ebenso deutlich machen wie Schrankenlosigkeit dank dieses unsichtbaren, weltumspannenden Netzes, das uns alle umfängt.

Rasanter Rhythmus

Die Vorbereitung der Inszenierung auf der Probebühne des Stadttheaters in der Uferstadt musste noch ohne Drehbühne auskommen. „Zunächst bin ich immer im Kreis um die Darsteller drumherum gelaufen, habe aber trotzdem gar nicht alles im Blick behalten können“, verrät Stang. Also wurden die einzelnen Segmente samt Schauspielern wenigstens für die Proben nebeneinander gestellt. „Es ist richtig schwer für die fünf Protagonisten. Ihre Zeilen sind sehr verknappt, es gibt eine Menge Text, der aber keiner stringenten Psychologie folgt. Jeder muss blitzschnell reagieren, weil der Rhythmus rasant ist.“

Eine Studie kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass inzwischen praktisch alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Internet nutzen. Kaum einer, der sich nicht in irgendeinem sozialen Netzwerk wie zum Beispiel Facebook angemeldet hat. Die Flut der Wörter wird nur noch übertroffen von der Flut der Bilder. Ein Fakt, den die Inszenierung aufgreift.

Wie wir es in unserem viralen Alltag gewöhnt sind, so liefert auch diese Inszenierung nonstop Fotomaterial. 680 Aufnahmen werden zu sehen sein, die die Künstlerin Miho Kasama beisteuerte. Ein Teil der Bilder entstand unter denkbar realistischen Umständen: „Für die Szenen, die sich um die Party drehen, sind wir zu einer echten Fete und haben dort ein Fotoshooting gemacht“, sagt Thomas Stang.

Die Fürther Inszenierung von „Man sieht sich“ ist die zweite in Deutschland. Das Stück des Frankokanadiers Guillaume Corbeil war 2013 in Saarbrücken mit dem „Primeurs“-Autorenpreis ausgezeichnet worden, zuvor hatte er für den pointierten, hochspannenden Text in seiner Heimat Kanada einen Kritikerpreis erhalten. Der Schriftsteller, der 1980 geboren wurde und bei Montréal lebt, hat angekündigt, zur Premiere ins Kulturforum zu kommen. Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass er für die Kult-Aufführung seines Werks ein Like vergibt.

„Man sieht sich“: Premiere am Freitag, 20 Uhr, Kulturforum (Würzburger Straße 2). Weitere Termine: 10./11. Oktober, jeweils 20 Uhr. Karten (Schüler/Studenten 6, sonst 12 Euro) im FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19, Tel. 7 79 87 28). Ab 16 Jahren.

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