Im Tauschring kommen alle ohne Bargeld aus

18.7.2018, 11:14 Uhr
Im Tauschring kommen alle ohne Bargeld aus

© Archivfoto: Hans-Joachim Winckler

Zehn Jahre, das ist ein Grund zum Feiern! Für Tatjana Roos ist es auch ein Grund, Bilanz zu ziehen – und die fällt nicht nur positiv aus. "Ich merke oft", sagt sie betrübt, "dass uns viele immer noch nicht kennen." Und das, obwohl der Tauschring, übrigens ein Projekt des Mehrgenerationenhauses Mütterzentrum, keinesfalls im Verborgenen agiert. Sein Publikumsmagnet ist jedes Jahr der Warenverschenktag, zu dem er 2013 zum ersten Mal eingeladen hatte. Gut 300 bis 350 Menschen schauen dann in der Soldnerschule vorbei, um in gut erhaltenen gebrauchten Dingen zu stöbern, die andere aussortiert haben. Auf dem Grafflmarkt präsentiert man sich ebenfalls mit einem Stand, und dann gibt es noch die monatlichen Markttreffen, bei denen die derzeit 78 aktiven Mitglieder miteinander ins Gespräch kommen – Neulinge sind jederzeit willkommen.

Die Idee des Tauschrings basiert auf einem nachbarschaftlichen Hilfegedanken – man geht einander zur Hand. Da werden Hemden gebügelt, Rasen gemäht oder Hosen geflickt. Getauscht werden diese Dienstleistungen aber meist nicht direkt, sondern im Ring. Beispiel: Herr Müller bringt den Computer von Frau Maier in Ordnung. Student Max mäht den Rasen von Herrn Müller. Dafür backt Frau Maier dem Studenten einen Kuchen für seine Party. Die Währung, in der bezahlt wird, heißt Talente. Als Richtwert gilt: Wer eine Stunde arbeitet, egal ob als IT-Spezialist oder als Heckenschneider, hat in etwa zehn Talente verdient. Verbucht werden sie auf einem persönlichen Konto. Auch Waren können dort verrechnet werden: von gebrauchten Büchern über CDs bis hin zu selbstgemachten Kuchen und Marmeladen. 2015 erhielt Nimm & Gib für sein nachhaltiges Engagement den Umweltpreis der Stadt Fürth.

Im Tauschring kommen alle ohne Bargeld aus

© Tom Aschenbrenner

Begonnen hatte alles 2008 unter dem Dach des Mütterzentrums in der Gartenstraße. Die Zahl der Mitglieder stieg schnell, stagniert jetzt aber schon seit längerem. Zwar stoßen immer wieder Neulinge dazu, dafür orientieren sich andere neu oder ziehen weg. "Es ist ein Kommen und ein Gehen", sagt Margit Marquardt mit einem leisen Seufzer. Gemeinsam mit ihrem Mann Wolfgang, Tatjana Roos und Hans Hezer zählt sie zu den Gründungsmitgliedern.

"Wie ein kleines Dorf"

Für die, die regelmäßig zu den Markttreffen kommen, ist Nimm & Gib mehr als nur ein Tauschring. "Geselligkeit", "Lebensfreude", "Nächstenliebe", "wie ein kleines Dorf" – mit diesen Schlagworten charakterisierten Mitglieder den Tauschring kürzlich auf einem Plakat zum zehnjährigen Bestehen. "Gerade für Alleinstehende sind wir eine wichtige Anlaufstelle", sagt Tatjana Roos. Aber auch der Tausch kommt nicht zu kurz: Wolfgang Marquardt hat hochgerechnet, dass jährlich rund 1100 Arbeitsstunden geleistet werden.

Für die Zukunft haben die Macher ein paar Wünsche. Gerne würden sie den Tauschring – wie andernorts üblich – mit städtischen Einrichtungen verknüpfen. Dann ließe sich auch ein VHS-Kurs oder eine Theaterkarte mit Talenten bezahlen. Im Gegenzug könnten Tauschring-Mitglieder beispielsweise "den Hof der Volkshochschule kehren", sagt Tatjana Roos. Außerdem trägt sich die Gruppe mit dem Gedanken, einen Ableger in Cadolzburg zu gründen.

"Wir müssen etwas bewegen, sonst schläft es ein", sagt Wolfgang Marquardt. Und das will er auf jeden Fall verhindern. Welcher Handwerker, so Marquardt, düble denn heute noch ein Regal an die Wand? "Gerade für so kleine Sachen kriegt man doch niemanden." Manche Menschen seien auf diese Hilfe aber angewiesen. Für ihn und seine Mitstreiter ist deshalb klar: "Die Idee ist gut. Sie ist es wert, dass man sie weiterträgt."

Das nächste Markttreffen ist am Mittwoch, 18. Juli, ab 19 Uhr im Stadtpark (Wiese hinter dem Babylon-Kino) im Rahmen von "Fürth im Übermorgen". Ansonsten trifft sich die Gruppe an jedem dritten Mittwoch im Monat um 19 Uhr in der Gartenstraße 13a (Holztür!) sowie an jedem vierten Samstag ab 10 Uhr - mit Frühstück - zu einem "Markttreffen light" in der Gartenstraße 14. Telefonischer Kontakt: (09 11) 77 27 99, E-Mail: nug_mghfuerth@yahoo.de

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