Im Weltraumbahnhof der Kleeblattstadt

19.2.2017, 18:45 Uhr
Im Weltraumbahnhof der Kleeblattstadt

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Der Laden "Raum.Streben" in der Königstraße hat sich aufs Upcycling spezialisiert. Im Gegensatz zum Recycling werden ausgediente Gegenstände nicht in ihre mineralischen Bestandteile zerlegt, um Neues daraus zu machen, sondern möglichst nahe ihrer Urgestalt anderen Zwecken zugeführt. Da dienen Hosenhinterteile als Sitzkissen oder kunstvoll gefaltete Notenblätter als Lampions.

In diesem Ambiente sticht Frank Drechslers Kunst nicht sofort ins Auge. Im Gegenteil, seine Schöpfungen harmonieren mit den krausen Neuinterpretationen ausgedienter Utensilien aufs beste. Allerlei Globen, die unsere gute Mutter Erde mal topographisch korrekt, mal stilisiert mit auf den Erdteilen verteilten Tierchen und Bauwerken darstellen, bilden den passenden Rahmen. Vor allem unterscheiden sich Frank Drechslers Kreationen dadurch, dass sie zweidimensional sind und gerahmt an der Wand hängen. Wie etwa die Schultafel, die mit Kreidezeichnungen und durch Holzleisten separiert ein Triptychon zeigt. Links sehen wir einen Planeten mit Rakete; in der Mitte einen durchsichtigen Kubus; rechts eine Dampflok an der Haltestation. "Welt" plus "Raum" plus "Bahnhof" ergibt "Weltraumbahnhof".

Ist das nun Kunst oder Kalauer? Weder noch, es bildet nur in schlagender Verbildlichung eine ganz besondere Eigenschaft der deutschen Sprache ab: nämlich ihren unerschöpflichen Hang zu Kompositumwörtern, zu miteinander verketteten Begriffen.

Neben eigenen Kreationen gibt es vor allem Fundstücke wie etwa Briefmarken aus dem Ostblock, die mit stacheligen Antennen bewehrte Satelliten und Raumstationen vor poppig schillernden Galaxien präsentieren. So psychedelisch war der real existierende sozialistische Kosmos! Oder ein auseinandergefaltetes gerahmtes himmelblaues Papier mit kryptischem Aufdruck. Wer der kyrillischen Schrift mächtig ist, entziffert "Schokolade" und "Kasachstan", wo der Weltraumbahnhof Baikonur liegt. Ob sich sowjetische Kosmonauten mit kasachischem Kakao getröstet haben?

Dieser Gedanke führt den Betrachter sogleich an das zutiefst Menschlich-Irdische im entrückten Weltraumfahrer: ans Essen. Was futtert man denn im Weltraumbahnhof Fürth? Auch hier führt Frank Drechsler eine Vielzahl an Labsalen an, den "falschen Hasen" gibt es gleich zweimal: einmal als schlichte Gouache, einmal als Dürerhase, ein Fundstück vom Flohmarkt. Nein, das ist nicht das Original von Dürer, nur ein verkleinerter Druck. Eben ein "falscher" Hase.

Und Drechslers eigene Zeichnungen? Die loten vornehmlich die graphische Bandbreite der fliegenden Untertasse aus. Die Kreuzung aus Eierkocher und Autofelge auf Dreibein plus Antenne präsentiert sich mal breit, mal hoch, mal gestaucht, mal zerdehnt, und auch in unterschiedlicher Größe. So findet die Invasion der Außerirdischen für uns ganz unbemerkt statt, eine Vielzahl von Untertassen schart sich um eine Glühbirne. Letztlich verdankt sich die ästhetische Spannung dieser Ausstellung der Diskrepanz zwischen den geistsprengenden Dimensionen des Kosmos und der entwaffnend schlichten Zeichenkunst des Künstlers, gekoppelt mit einer Vorliebe für Kalauer, Wortwitz und dem Allzuwörtlichnehmen von Begriffen. Dies alles eingebettet in ein Ambiente, das sowieso zum Lachen reizt. So gesehen, darf der Besucher beruhigt sein: Auch die Außerirdischen haben Humor.

Geöffnet am 19. 22. 24. und 25. Februar, jeweils nachmittags in der Königstraße 28.

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