"Immer toller, immer verrückter"

14.10.2014, 06:00 Uhr

© Michael Müller

Manfred Gugel ist im Kellerkasten geboren. Das sagt man so. Gugel will damit sagen: Er ist im Wohnwagen seiner Eltern geboren. Von da an war er Schausteller. Wie seine Eltern, seine Frau, seine Großeltern und sein älterer Sohn. Anderes kam nie in Frage. Er lehnt an der Theke seines Ausschanks auf der Fürther Freiheit und erzählt. Die Schwiegertochter räumt derweil die Gläser ein. Die Aushilfen – schöne, wie er betont - gehören auch schon fast zur Familie. Und tragen kurze Röcke zu den Blusen. Manchmal kürzer als die Füße. Er lacht, ein Scherz.


Schon 1927 war die Schaustellerfamilie mit einem Holzpferdekarussell auf der Kärwa vertreten. Im Osten gebaut, Qualitätsarbeit. Nicht dieses „Glump von heut’, aus Plastik alles“. In den Siebzigern folgte die Halligalli, dann die Santa Maria und seit 2000 die Spaceparty. Wenn der rüstige Siebzigjährige von seinen Fahrgeschäften spricht, wirkt es ein wenig, als würde er Liebschaften aufzählen.


Geht man von den Bierbänken und den weiß-grün karierten Damen ein Stück entlang der Freiheit, bietet sich ein kurioses Bild.  Aus einem riesigen grinsenden Maiskolben schießt regelmäßig links und rechts ein gelb-lila funkelnder Kreisel gen Himmel. Der Kreisel im Hintergrund, das ist die Spaceparty. Menschen, denen nicht schlecht wird, sitzen darin.


Im Kirchweihprogramm ist noch ein altes Foto, das ärgert Gugel ein wenig, jetzt ist viel mehr Deko daran. Vor dem Alien, dem Magier und der erschrockenen Schönheit auf der Rückwand blinken jetzt viel mehr Lichter, man muss sich ja immer etwas Neues einfallen lassen. Schließlich wird alles „immer toller, immer verrückter“ - das ist wohl eine Konstante im Leben der Reisenden.


Ein richtiger Schausteller macht so etwas selbst, Schweißen und ein bisschen Elektronik, das hat er von seinem Vater gelernt. Sonst überlebt man auch nicht. Alles teurer heute. „Von dem her, was ich hier schon an Platzmiete gezahlt habe, müsste die Fürther Freiheit schon längst mir gehören.“ Als Einheimischer kommt er natürlich immer zur Kirchweih, wie sage man, „dahoam is dahoam“. Manche fahren gleich danach weiter nach Kaiserslautern – der Kollege etwa; seine Hand weist in Richtung eines gelangweilten Zombies mit Peitsche.


Zwölf Stunden am Tag läuft der Ausschank, dann irgendwann zieht sich der Hiltmannsdorfer in seinen Wohnwagen zurück. Das bessere Zuhause? Nun ja, die Kundschaft gebe eben mal einen aus und dann müsse man hier und dort mit den Kollegen einen trinken. Sie sind natürlich nicht betrunken am Abend eines Arbeitstages, das nicht, aber heute darf man ja mit zwei Bier schon nicht mehr fahren. Während Gugel spricht, schaut er auf einmal suchend umher, bückt sich nach einem Bierkrug. Wie aus dem Nichts schlägt er damit auf die Theke. Ein Nagel stand ein Stückchen hervor.


Manfred Gugel hat seinen Beruf schon immer geliebt, das sieht man auch in seinem Gesicht, wenn er es sagt. Zwei Jahre macht er noch, dann hört er auf. Dann geht der Betrieb an den Junior, wie damals bei seiner Heirat an ihn. Während Franken und Touristen essen, spielen und den Schwindel suchen, trifft ein eingefleischter Fürther Schausteller wie Gugel im Trubel der Kirchweih Schulfreunde. Ein schönes Wiedersehen. Aber dann „ist der eine nimmer da, dann hams wieder einen beerdigt“. Zeiten ändern sich. Vor zwei Jahren starb unerwartet seine Frau, sie war das Herz des Unternehmens – oder die Seele, wie sage man das? Vermutlich war sie beides.


Weiter geht es trotzdem. Aber nicht mehr dieses Jahr. Im Winter fährt er quer durchs Land, Plätze abklären, „für die neue Tournee“. Noch weiter gesund bleiben, das ist das Wichtigste. „Mensch denkt und Gott lenkt.“ Den Campingwagen in die Ferne.


 

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