In Cadolzburg glänzt ein Juwel

11.12.2018, 16:00 Uhr
In Cadolzburg glänzt ein Juwel

© Foto: Leyendecker

"Grau, wieso ausgerechnet grau?" Hendrik Leyendecker, der Nürnberger Eigentümer des denkmalgeschützten Hauses, weiß, dass die Arbeiten der Handwerker an seinem Anwesen genau beobachtet wurden. Und als die Fachwerkbalken des Ziergiebels in hellem Grau gestrichen wurden, löste das Erstaunen aus. Am Cadolzburger Marktplatz nämlich haben alle Fachwerkfassaden einen braunen Farbton. "Doch die Denkmalschützer haben festgestellt, dass Grau früher durchaus üblich war", berichtet Leyendecker.

In Cadolzburg glänzt ein Juwel

© Foto: Dietz

Und noch eine Erkenntnis verdankt er den staatlichen Aufpassern: Die Ursprünge des Anwesens sind älter als zunächst angenommen. Dazu führt Leyendecker in den Keller, in dem jetzt die moderne Heizungsanlage untergebracht ist. Vermutlich im frühen 16. Jahrhundert sind diese Gewölbe aus dem rohen Fels gehauen worden. Unterirdisch lebte dort wahrscheinlich eine Familie in einem kleinen Raum — nur durch eine dünne Wand von ihren Tieren getrennt, die in einem schmalen Pferch gehalten wurden. Alles, was über der Erde lag, ist verschwunden, höchstwahrscheinlich zerstört während des Dreißigjährigen Krieges.

Die Wiedererbauer des Hauses — es waren Einwanderer aus Österreich — investierten Mitte des 17. Jahrhunderts in ein imposantes Gebäude mit einem Sandsteinsockel, damals ein exklusives Unterfangen. Die Jahreszahl 1674 ist als Entstehungsdatum über dem Eingangssturz eingemeißelt. Das daneben wieder installierte Wappenschild stammt vermutlich aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts — der Zeit des Historismus. Es zeigt den Doppeladler der Hohenzollern.

An Handwerkskunst der Entstehungszeit erinnern die schweren Eichenbalken der Dachkonstruktion. Eine sehr solide Arbeit, sie hätte bis heute bestehen können. Leider machten nachfolgende Generationen schwerwiegende Fehler bei einem Anbau und griffen in die Statik des stabilen Dachstuhls ein.

Die Folgen kommen Bauherr Leyendecker heutzutage teuer zu stehen. Mit Hilfe schwerer Maschinen musste das sich inzwischen neigende Dach wieder aufgerichtet werden – das teuerste Einzelprojekt der Sanierung, die insgesamt eine Investition in Millionenhöhe erforderlich machte.

Eine böse Überraschung gab es auch bei dieser alten Immobilie: Die rückseitige Fachwerkwand war komplett verfault, eine neue musste hochgezogen werden.

Viele Details machen die neuen Räume zu Unikaten: eine barocke Tür, die erhalten blieb, freigelegtes Wanddekor früherer Generationen oder der wieder aufgearbeitete Boden des ehemaligen Tanzsaals. "Schatzkästlein", nennt der Bauherr die bodennahen Holzverschalungen längs der Wände. Sie verstecken die Leitungen, die moderner Wohnkomfort von heute verlangt. Sie sehen nicht nur hübsch aus, sie waren auch teuer — echte Schätze eben.

Alte Holzkassettendecke

Eine Funktion, die es schon früher hatte, soll das Haus wieder erhalten: die Gastronomie. Leyendecker wünscht sich im unteren Geschoss ein Tagescafé oder Bistro. Vorbereitet sind dafür der ehemalige Gastraum, in dem noch die alte Holzkassettendecke existiert, und der ehemalige Verkaufsraum der Metzgerei. Auch hier finden sich Spuren der früheren Nutzung, wie die Fliesen mit Zierbordüre. Entstanden sind außerdem vier Wohnungen mit sehr individuellen Grundrissen. Leyendecker, der in jede davon viel Herzblut gesteckt hat, hat ihnen Namen gegeben: Tanzsaal, Burgterrasse, Posthorn (hier soll früher der Cadolzburger Postbote gewohnt haben) und Adlerhorst. Wer hier einzieht, wohnt modern, muss aber auch bereit sein, die Nachteile eines alten Gemäuers in Kauf zu nehmen. Wer Beulen vermeiden möchte, muss an einigen Türen den Kopf einziehen. Auf den schmalen Treppen lassen sich keine zu großen Möbel transportieren. Viele Schrägen und Nischen begrenzen die Einrichtungsmöglichkeiten.

Dafür entschädigt die Mieter ein einmaliger Blick über die Dächer Cadolzburgs und zu seiner Burg. Auf den Dachterrassen lässt sich das genießen.

Im Adlerhorst — die oberste und größte Wohnung — hat Leyendecker bewusst das Gebälk unverkleidet gelassen. "Das war so teuer", sagt er, "das muss man sehen." Eine gläserne Galerie führt in einen zusätzlichen Raum, der ganz an der Spitze unter dem Dach liegt.

Der Bauherr gerät dort ins Schwärmen. Ob er nicht selbst einziehen möchte, bei so viel Begeisterung? Nein, sagt er. Er bewohnt in Nürnberg bereits ein denkmalgeschütztes Haus. Doch ein bisschen hat er sein Herz schon an Cadolzburg verloren. Das ehemalige Schlachthaus im Hinterhof — das nicht unter Denkmalschutz stand — ist auch bereits restauriert. Das wird er sich reservieren lassen. Man kann nie wissen.

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