In Roßtal wurde nicht gegeizt

13.8.2017, 14:00 Uhr
In Roßtal wurde nicht gegeizt

© Wraneschitz

Der Nähe Herbert Mays zu Roßtal mag es geschuldet sein, dass das Titelbild des Bayern-Bandes das Roßtaler Pfarrhaus ziert. "Wir sind ganz schön stolz", sagt der dortige Pfarrer Jörn Künne. Allerdings, so May, "hat die Roßtaler Kirchengemeinde immer in der Champions League gespielt", wovon auch das erste Pfarrhaus zeuge. "Bei dem Haus geht dem Denkmalforscher das Herz auf."

In Roßtal wurde nicht gegeizt

© Hans-Joachim Winckler

Der Ort war einst die größte Pfarrei weit und breit, seine Gerichtsbarkeit ging bis vor die Tore des heutigen Nürnberger Plärrers. Im Bewusstsein um die Bedeutung als einzigem Sitz einer Kaiserburg hätten die hier Herrschenden nie gegeizt in der Ausstattung der kirchlichen Immobilien. "Heute zählt das erste Pfarrhaus zu den eindrucksvollsten und am besten erhaltenen spätmittelalterlichen Fachwerkhäusern in ganz Franken", urteilt der frühere Leiter des Freilandmuseums Konrad Bedal.

"Nicht Dorfhaus und nicht Villa" lautet der Titel des Bands über fränkische Pfarrhäuser, in dem etliche aus Stadt und Landkreis Fürth Aufnahme fanden. Er ist der Ausstellungskatalog zur aktuellen Jahresschau gleichen Titels im Freilandmuseum (noch bis 17. Dezember) und spürt anhand von 120 Beispielen der 500-jährigen Geschichte evangelischer Pfarrhäuser nach.

Während den Pfarrhäusen in diesem Buch jeweils eine Seite gewidmet ist, kann Roßtal in dem Bayern-Band mit sechs Seiten aufwarten. Was seiner Bedeutung angemessen ist, wie May findet. Denn im Zuge der jüngsten Forschungen hat sich herausgestellt, dass das imposante Haus definitiv so alt ist, wie bislang nur vermutet wurde. "Dank dendrochronologischer Untersuchungen wissen wir jetzt genau, dass das Bauholz 1459/60 gefällt wurde. Das ist schon eine Hausnummer. Damit ist es das drittälteste Pfarrhaus Bayerns", erklärt May.

Streit mit Schwertern

Zudem findet sich der Bauforscher und Denkmalpfleger in der glücklichen Ausnahmesituation, relativ detaillierte Informationen über den Grundriss des Gebäudes zu haben. Wirtschaftlich gut ausgestattet, waren die Pfarrpfründe von Roßtal sehr begehrt. Als es anno 1494 um die Neubesetzung ging, gab es zwei Bewerber, die sich mit Schwertern um die Stelle stritten — und das mitten im Pfarrhaus.

Der vor Ort eingesetzte Pfarrverweser namens Neff hat die Schäden genau erfasst und zu Papier gebracht. Seine Aufstellung erlaubt, die konkrete Verwendung und Bezeichnung einzelner Räume nachzuvollziehen, ein ganz seltener Fall für ein Haus des 15. Jahrhunderts. Die Liste belegt May zufolge einen für das Spätmittelalter erheblichen Wohnkomfort. Von diversen, großzügig geschnittenen Stuben, die im Gegensatz zu Kammern beheizt waren, ist die Rede. Auch das Studierstüblein, in dem der Pfarrer seine Predigten verfasste, zieht sich durch die Jahrhunderte der Pfarrhaus-Baugeschichte. Genauso wie der im Haus integrierte Stall, den die Pfarrfamilie brauchte, um versorgt zu sein. Eine Besoldung des Pfarrers wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Dass es alles andere als eine bescheidene Wohnstatt war, macht die hochwertige Qualität des Fachwerkbaus deutlich: Bestechend ist dessen dichtes Bild. "An Holz wurde hier nicht gespart. Das ist Zimmermannskunst erster Güte", beschreibt es May.

Eine Problemimmobilie ist und bleibt das 1685 erbaute zweite Pfarrhaus, das wegen seiner Schadstoffbelastung seit Jahren leersteht. Hoffnung, dieser im Bestand beizukommen, gibt es nicht. "Wie es aussieht, bleibt uns nichts anderes übrig, als es — dem Beispiel von Geslau oder Marktbergel folgend — abzureißen und historisierend wiederaufzubauen", erklärt Pfarrer Künne. Dass seine Wohnstatt im ersten Pfarrhaus von der bayernweiten Verseuchung der Pfarrhäuser mit Holzschutzmitteln verschont blieb, verdankt er seinem Vorvorgänger: Der liebte kubistische Formen und ließ das Fachwerk in den Wohnräumen mit Rigips verkleiden, womit er die Holzteile vor der andernorts üblichen Giftbehandlung bewahrte.

Neuer Dachstuhl

Anders war das in Laubendorf, wo das Pfarrhaus auf der Anhöhe neben dem kleinen Kirchlein 2011/12 sogar mit einem neuen Dachstuhl ausgestattet werden musste, um es wieder bewohnbar zu machen. May beschreibt das Haus als "wunderschöne Preziose des Historismus", Baujahr 1904/05, mit der er eng vertraut ist.

Als Gatte von Pfarrerin Christine Heilmeier genießt er das Privileg, hier wohnen zu können. Über seinen Wohnstil befindet er schmunzelnd: "Man kann nicht meckern." Das Paar steht exemplarisch für den Wandel des Lebens im Pfarrhaus, wo sich über die Jahrhunderte seit der Reformation einiges verschoben hat.

Die Frau Pfarrerin, einst für Haushalt, Erziehung meist einer große Kinderschar, den Pfarrgarten und die zum Überleben notwendige Landwirtschaft verantwortlich, ist zur Pfarrerin geworden.

Will das Ehepaar Heilmeier/May seine Ruhe, "schließen wir einfach das Tor", sagt der Mann im Laubendorfer Pfarrhaus. Früher sei die Seelsorge getragen gewesen von einer Komm-Struktur, das Pfarrhaus ein Glashaus, dessen Bewohner stets von der Gemeinde beäugt wurden.

Heute dagegen basiere Seelsorge auf der Geh-Struktur: Pfarrer sein, heißt, die Menschen aufzusuchen. Auch solche kulturgeschichtlichen Aspekte des Lebens im Pfarrhaus beleuchten beide Bücher.

Hans-Peter Hübner, Herbert May, Klaus Raschzok (Hrsg.): Evangelische Pfarrhäuser in Bayern, mit Fotos von Gerhard Hagen, 408 Seiten, ISBN-13: 9783943866520, 36 Euro; Susanne Grosser, Herbert May, Andrea K. Thurnwald (Hrsg.): Nicht Dorfhaus und nicht Villa, Evangelische Pfarrhäuser in Franken, 429 Seiten, erhältlich im Museum (auch online) für 32 Euro.

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