In Zirndorf starten in der Deutschstunde alle bei Null

30.1.2017, 09:00 Uhr
In Zirndorf starten in der Deutschstunde alle bei Null

© Foto: Armin Weigel/dpa

Einige Stunden früher um 8.45 Uhr: Die Schüler sitzen im Klassenzimmer ruhig an ihren Plätzen und hören aufmerksam zu. Den Jugendlichen hier ist anzumerken, sie wollen lernen. Die Klasse besteht aus 14 Mädchen und Jungen zwischen elf und 18 Jahren. Sie stammen aus Osteuropa, Thailand, Indien und dem Nahen Osten. Klassenleiterin Andrea Maurer begann vor vier Jahren damit, erste Übergangsschüler in Zirndorf zu unterrichten, also ausschließlich Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Ziel ist es, sie auf den Übergang in eine reguläre Klasse vorzubereiten. Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlernen der deutschen Sprache.

Maximal zwei Jahre stehen der Klassenleiterin dafür zur Verfügung. Die Ganztagsklasse wird über den europäischen Sozialfond bezuschusst. Deshalb ist es den Lehrern möglich, die 7üg intensiv zu betreuen. „Ich habe normalerweise noch eine Kollegin mit dabei“, sagt Maurer. „Wir halten ein paar Stunden gemeinsam und können die Schüler individuell fördern. Ein ganz großes Plus ist unser Sozialpädagoge, der 15 Stunden in der Woche nur für unsere Klasse zuständig ist. Das ist gigantisch.“

Rat bei Problemen

Dieser Sozialpädagoge heißt Rüdiger Kraus. Er betreut die Klasse seit September 2016. Seine Aufgabe ist die sinnvolle Freizeitgestaltung, die deutsche Sprache zu vertiefen und einfach für die Schüler da zu sein. Sie können ihn um Rat fragen, wenn sie Probleme mit den Pflegeeltern oder anderen Jugendlichen haben. Sogenannte erlebnispädagogische Maßnahmen, wie Kanu fahren, Klettern oder Holzschnitzen, gehören zu den Angeboten, die Kraus macht.

Ein Sozialpädagoge sei auch deshalb notwendig, weil „diese Klasse hinsichtlich ihres Sozialverhaltens besonders geschult werden muss, um in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen“, meint Rüdiger Kraus.

Aufgrund der unterschiedlichen Altersstufen musste das Unterrichtskonzept angepasst werden. Gerade werden in der Deutschstunde Berufe durchgenommen. Die Schüler nennen Berufe, die sie kennen. Ihre Deutschkenntnisse sind nicht perfekt, aber fortgeschritten. Andrea Maurer nimmt sich Zeit und beantwortet die Fragen zu den Berufen. „Im Deutschen starten alle bei Null. Aber in Mathematik bringen die Schüler ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit. In diesem Fach fange ich beim Stoff der fünften Klasse an,“ erklärt sie.

Ali aus dem Irak ist 18 Jahre alt und damit der einzige Volljährige in der 7üg. Den Unterricht in der Übergangsklasse findet er gut; er sehnt sich jedoch nach einem Abschluss, um weiterzumachen: „Ich möchte, dass alles schnell geht. Ich hatte den Schulstoff, den wir jetzt durchnehmen, schon gelernt, denn ich war im Irak in der elften Klasse. Alle meine Freunde studieren bereits an der Universität.“ Auch Ali möchte studieren und anschließend Elektroingenieur werden.

Das Abitur im Blick

Er plant, nach Abschluss der Übergangsklasse, in eine Regelklasse an der Mittelschule zu wechseln. Später will er das Abitur machen und dann zur Uni gehen — ein langer Weg.

Andrea Maurer meint, ihre Schüler hätten eine positive Zukunftsperspektive, ein Großteil könnte sich problemlos in eine weiterführende Klasse einfügen. Sozialpädagoge Kraus schätzt die Situation dagegen ein bisschen nüchterner ein: „Was die Noten angeht, müssen manche Schüler noch an sich arbeiten, damit sie in eine Regelklasse übertreten können.“ Die Motivation freilich sei bei allen vorhanden.

Kulturell komme es gelegentlich zu Problemen, sagt Kraus. Für männliche Schüler aus dem arabischen Raum sei es anfangs schwierig gewesen, eine Frau als Lehrerin zu akzeptieren. „Nicht alle sind so“, erläutert Maurer. „Es kommt darauf an, welchen Bildungsstand die Jugendlichen mitbringen. Aber grundsätzlich ist es für sie erst einmal seltsam, dass eine Frau ihnen etwas zu sagen hat.“

Die Schüler packen ihre Sachen in ihre Rucksäcke. Nach Bruchaddition, Geschichte und Biologie folgt die Sportstunde. Jan Schneider, deutscher Meister im Budokai, und Aydin Yilmaz, Weltmeister im Kickboxen von der Kampfsportschule Samurais Nürnberg, unterrichten die Ganztagsschüler ehrenamtlich im Kampfsport. Um 15.30 Uhr ist der lange Tag dann zu Ende in dieser ganz besonderen Ganztagsklasse.

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