Indische Tänzerinnen verzaubern Roßtal

25.9.2017, 06:00 Uhr
Indische Tänzerinnen verzaubern Roßtal

© Foto: Patricia Blind

In knallbunten Saris und mit glänzendem Kopfschmuck gleiten die ersten Tänzerinnen anmutig in den gut gefüllten Saal. Ehe sie mit dem klassischen Tempeltanz Odissi beginnen, verbeugen sie sich: Wie es die Tradition verlangt, zollen sie Mutter Erde Respekt und entschuldigen sich für das kommende Stampfen.

Was folgt, ist nicht "der" indische Tanz, wie Malika Majithia, "STOP"- Mitglied und Tourguide der Mädchen, auf Englisch erläutert. "Indien ist so groß wie Europa. Jede Region hat ihr eigenes Essen, ihre eigenen Tänze, ihre eigene Kultur."

Faszinierende Einblicke

Toleranz durch Theater und Tanz, so lautet das inoffizielle Motto des Vereins "Kinderkulturkarawane". Seit 2000 bringt das Netzwerk sozial benachteiligte Jugendliche des globalen Südens mit denen des Nordens zusammen. Bühnen werden zu Orten des kulturellen Austausches. In diesem Jahr wurden sieben Mädchen der Organisation "STOP" nach Europa geladen. Auf ihrer dreimonatigen Tour gewähren die Künstlerinnen zwischen 13 und 23 Jahren faszinierende Einblicke in ihr Leben.

2000 Kinder und Frauen konnte die Initiative "STOP" seit 1998 aus den Fängen von Menschenhändlern befreien. Momentan leben rund 50 Jugendliche im "Family-Home Ashray" in Neu-Delhi. Um unabhängig zu werden, arbeiten die geretteten Frauen für ein "STOP"-Sozialunternehmen und nähen Textilien. Die Kleidungsstücke mit dem Markennamen "Azadi" ("Freiheit") werden vom Fürther Modeladen Farcap vertrieben. Der Besuch der Inderinnen sei eine große Ehre für den Fairtrade-Markt Roßtal, so Bürgermeister Johann Völkl.

Präzise und mit viel Energie stellen die Künstlerinnen eine bunte Collage regionaler Tänze zusammen, die moderne und traditionelle Choreografien vereint. Schnelle Rhythmen, rasante Schritte und prächtige Gewänder entführen die Roßtaler auf Erntedankfeste, ins gesellige Punjab oder zelebrieren im bunten Bollywood-Stil die Befreiung Indiens aus der Kolonialherrschaft.

"Sie trainieren, seitdem sie acht Jahre alt sind, manchmal bis zu fünf Stunden am Tag", so Malika. Einige der Mädchen wollen so beruflich Fuß fassen, für andere ist das Tanzen nur ein Hobby neben ihrem Studium. Freizeitangebote wie Taekwondo, Henna und Tanz sollen ihre Rehabilitation fördern. Die Vergangenheit soll bewältigt, neues Selbstbewusstsein geschöpft werden.

Bereitwillig geben die jungen Frauen ihr erlerntes Wissen weiter. In der Grund- und Mittelschule Roßtal zeigen die Inderinnen beispielsweise, wie man seinen eigenen Namen in Hindi schreibt oder was ein gutes Henna-Tattoo ausmacht.

Ob die Tänzerinnen auch etwas aus Deutschland mitnehmen? Die 23-Jährige Tannu überlegt. "Hier sind die Straßen viel leerer als daheim, das ist komisch", findet sie. "Außerdem essen wir mit den Händen, das ist eine große Umstellung."

Betreuerin Malika freut sich derweil über die neu gewonnene Offenheit der Mädchen. "Da sie in Zweiergruppen in Gastfamilien leben, müssen sie manchmal ohne mich auskommen. Und sie wachsen über sich hinaus. Sie reden jetzt mit Fremden, um ihr Englisch zu verbessern", beobachtet die 26-Jährige stolz.

Gute Sprachkenntnisse und selbstbewusstes Auftreten liegen den Mädchen am Herzen. "Sie wollen den Menschen hier auf Augenhöhe begegnen und nicht bemitleidet werden", betont Malika. "Sie möchten, dass man ganz normal mit ihnen umgeht."

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