Inklusion: Buch schildert Fürther Erfahrungen

24.5.2016, 21:00 Uhr
Inklusion: Buch schildert Fürther Erfahrungen

© Hippel

Frau Kinle, was hat Sie dazu veranlasst, 2007 einen Laufclub für Menschen mit Down-Syndrom ins Leben zu rufen?

Anita Kinle: Es war ein Presseartikel über den Marathonlauf des englischen Down-Syndrom-Sportlers Simon Beresford, der mich als passionierte Läuferin und Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom animierte, ein inklusives Sportprogramm auf die Beine zu stellen.

 

Haben Sie es jemals bereut?

Kinle: Bislang noch keine Sekunde. Tolle, emotional bewegende Erfahrungen konnte ich im wahrsten Sinne laufend sammeln. Viele begeisterte Helfer unterstützen mich, mein eigener Sohn treibt mich an und überhaupt ist meine Familie eine absolut zuverlässige Operationsbasis.

 

Weshalb haben Sie zusammen mit Ihrem Mann nun ein Buch darüber geschrieben?

Kinle: Wir wollen möglichst viele Eltern von Kindern mit Down-Syndrom dafür begeistern, auch ermutigende Erfahrungen zu sammeln. Und Ausdauersport kann dabei durchaus neue Perspektiven eröffnen – wenn er richtig angegangen wird.

 

Was heißt das?

Kinle: Der Wettkampfcharakter und Leistungsgedanke darf keine dominierende Rolle spielen. Sportler mit Down-Syndrom müssen sehr behutsam an körperliche Belastung gewöhnt werden. Entscheidend dabei ist, dass es ihnen auch Spaß macht und gut tut.

 

Inklusion: Buch schildert Fürther Erfahrungen

© Foto: Norbert Wilhelmi

Welchen sozialen Anspruch erheben Sie mit öffentlichen Großveranstaltungen wie dem Down-Syndrom-Marathon?

Kinle: Ich möchte zeigen, dass das Plus an Chromosomen bei Menschen mit Down-Syndrom auch ein Plus für die Gesellschaft bedeuten kann. Denn viele Menschen mit Down-Syndrom verfügen über emotionale Qualitäten, die im Umgang miteinander ungemein bereichernd sein können. Ich habe immer das Ziel vor Augen, die Lebensqualität für Menschen mit Down-Syndrom zu verbessern.

 

Nur mit Dauerlauf?

Kinle: Nein, dazu ist natürlich etwas mehr erforderlich. Und das leistet die Thomas-Benjamin-Kinle-Beratungsstelle in der Erlanger Straße 50, die ich zusammen mit meinem Mann 2010 gegründet habe. Hier vermitteln wir Eltern individuell, dass sie das Leben mit betroffenen Kindern bewältigen können.

 

Welche Resonanz bekommen Sie dabei?

Kinle: Es ist immer wieder berührend, wie dankbar Menschen sind, wenn man ihnen Problemlösungen aufzeigt, an die sie bisher nicht im Traum gedacht haben und die zu einer entscheidenden Verbesserung der Lebensqualität führen. Offenbar hat unsere Beratungsstelle mittlerweile auch bundesweit einen guten Ruf. Letzte Woche kam eine Familie aus Berlin nach Fürth, um sich Hilfe zu holen.

 

Wie sieht diese Hilfe aus?

Kinle: Sie setzt dort an, wo die Schulmedizin aufhört. Dabei fließen auch meine Erfahrungen als Heilpraktikerin ein. Themen sind etwa Ernährung, der zwischenmenschliche Umgang und die Therapie chronischer Erkrankungen. Unterstützt wird die Beratungsstelle durch die 2012 gegründete Stiftung für Menschen mit Down-Syndrom und zahlreiche Sponsoren.

 

Was bedeutet das neue Buch für Sie?

Kinle: Es ist eine Art Manifest. Ein Dokument als erster Zwischenbericht unserer bisher geleisteten Arbeit. Es soll Mut machen, indem es aufzeigt, was möglich ist. Wir waren schon beim Triathlon in Roth dabei, sind auf die Zugspitze gelaufen und rund um Berlin. Lauter schöne Erfahrungen haben wir gesammelt. Die Lebensläufe im Anhang des Buches verdeutlichen, wie positiv sich das Lauferlebnis auswirkt. Und das Beispiel unseres Laufclubs macht inzwischen bundesweit Schule, wie der 2014 gegründete Hamburger Verein „Downlaufen“ zeigt.

 

Anita und Thomas Kinle: In Bewegung bringen – Ausdauersport für Menschen mit Down-Syndrom. Ein praxisbezogener Ratgeber, Edition 21 im G & S Verlag, 120 Seiten mit zahlreichen Fotos, 29,21 Euro

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