Nacktfotos, Chats, PC-Spiele: Was Eltern wissen müssen

21.11.2017, 16:00 Uhr
Nacktfotos, Chats, PC-Spiele: Was Eltern wissen müssen

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Klaus Lutz ist seit über 30 Jahren als Medienpädagoge tätig. Als Medienfachberater des Bezirks Mittelfranken berät er unter anderem Eltern, Kinder und Verantwortliche in Jugendeinrichtigungen.

Klaus Lutz ist seit über 30 Jahren als Medienpädagoge tätig. Als Medienfachberater des Bezirks Mittelfranken berät er unter anderem Eltern, Kinder und Verantwortliche in Jugendeinrichtigungen. © F.: hjw

Mit dem Ende der Grundschulzeit beginnt für Kinder ein neuer Abschnitt – viele bekommen dann ein eigenes Smartphone. Spätestens mit zwölf Jahren haben fast alle Schüler eins, das Internet ist nun permanent dabei. Wie viele Freiheiten lässt man ihnen damit?

Klaus Lutz: Eltern und Lehrer haben in dieser Phase die Aufgabe, ihnen zu helfen, Empathie und Fairness zu entwickeln, sich zu fragen, wie es anderen geht, wenn sie dieses oder jenes auf Facebook posten oder in die WhatsApp-Klassengruppe schreiben. Was hat mir jemand im Vertrauen erzählt? Was ist peinlich? Welchen Gag mache ich besser nicht? Kinder sind da von sich aus nicht so feinfühlig. Da bedarf es einer Wertediskussion, die müssen Eltern und Lehrer mit ihnen führen.

Das Smartphone bietet neue Möglichkeiten, jemanden auszugrenzen oder niederzumachen. Was sollten Eltern tun, wenn sie das Gefühl haben, ihr Kind wird gemobbt – oder auch: Es gehört zu den Mobbern?

Lutz: Die Sache ist oft komplex, häufig gibt es nicht nur das Opfer und die Schuldigen. Es gilt differenziert hinzuschauen, welche Ursachen zu Grunde liegen. Wenn ein Kind Opfer von Mobbing geworden ist, sollten Eltern signalisieren, dass sie an seiner Seite stehen und es in dieser Situation begleiten. Natürlich sollten sie versuchen, Maßnahmen einzuleiten, die das Mobbing beenden. Das kann ein Gespräch mit der Klassenlehrerin sein, ein moderiertes Gespräch mit allen Beteiligten oder vielleicht der zeitlich begrenzte Ausstieg aus der medialen Kommunikation. Auch kann man sich an die Polizei wenden. Dies sollte man bei extremen Fällen tun. Um Mobbing vorzubeugen, ist die schon erwähnte Wertediskussion wichtig: Wie fühlt sich jemand, wenn er ausgegrenzt wird? Sollte man für schwächere Schüler nicht Partei vor anderen ergreifen?


Teil eins: So lange dürfen Kinder an Tablet, Smartphone und Co.


Was vielen Eltern auch Sorgen macht: Computerspiele, YouTube und Chats mit Freunden sind spannender als Hausaufgaben.

Lutz: Der Ablenkungsreiz ist schon sehr hoch. Die Pubertät ist in Sachen Medienerziehung sicher die anstrengendste Zeit. Es gibt viele Diskussionen, oft Streit – aber das muss man aushalten. Die Jugendlichen fordern Autonomie und sagen: ,Das geht dich nichts an.‘ Trotzdem ist es wichtig, dass die Eltern ihnen Grenzen setzen, auch wenn die immer wieder übertreten werden. In dieser Zeit läuft Erziehung über Reibung. Ob es um Alkohol oder Hausaufgaben geht: Man sollte Absprachen treffen. Werden sie nicht eingehalten, soll man nicht zu extremen Strafen greifen – aber deutlich sagen: Das möchte ich so nicht.

Sind Jungs und Mädchen gleichermaßen versucht, sich mit Medien abzulenken?

Lutz: Viele Jungs haben eine extreme Affinität zu Computerspielen. Auf YouTube schauen sie Let’s-Play-Videos, Mädchen eher Beauty-Videos. Mädchen sind eher an Kommunikation interessiert – die ganzen WhatsApp-Nachrichten lenken aber genauso ab. Das Chatten mit der besten Freundin ist übrigens ganz wichtig, da wird eine Bindung außerhalb der Familie gefestigt. Jede Nachricht signalisiert: Du bist mir wichtig. Und gibt es Streit, ist das richtig Stress. Eltern sollten sich nicht lustig darüber machen und sagen: Das ist doch ein Schmarrn, was die reden. Genauso sollten sie die Begeisterung für Computerspiele bei den Jungs nicht abtun, sondern sich dafür interessieren und auch Anerkennung zeigen für die Leidenschaft und die Fähigkeiten.

Wie aber schaffen es die Jugendlichen, sich trotzdem mal nur auf die Hausaufgaben zu konzentrieren?

Lutz: Das ist erst mal schwierig. Sie müssen lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Muss ich auf jede Nachricht antworten? Fühle ich mich ausgeschlossen, wenn ich mal zwei Stunden nicht aufs Handy schaue? Ich finde Kommunikationsunterbrechungen gut. So lange es geht, sollten Eltern Absprachen treffen, das Thema diskutieren, Reibungsfläche bieten. Es gibt nämlich schon auch Verständnis auf Seiten der Jugendlichen. Eltern sollten natürlich mit gutem Beispiel vorangehen, also selbst nicht ständig aufs Handy schauen. Apropos Pausen: Gut finde ich, wenn das Handy so lange wie möglich nachts nicht im Kinderzimmer ist.

Dürfen Eltern das Handy ihrer Kinder kontrollieren?

Lutz: Normalerweise ist das Handy tabu, wie ein Tagebuch. Jugendliche haben ein Recht auf Privatsphäre. Wenn man sich große Sorgen macht, können Eltern sich in der Familienberatungsstelle Rat holen, wie sie mit der Situation umgehen können.

Was ist, wenn meine Tochter ihrem Freund Fotos schickt, auf denen sie halbnackt oder nackt zu sehen ist?

Lutz: Das machen viele verliebte junge Pärchen, und viele Jugendliche gehen mit dem ihnen entgegengebrachten Vertrauen verantwortungsvoll um und geben die Bilder nicht weiter. Ich selbst fände es nicht so gut, Kindern generell zu vermitteln, niemandem auf dieser Welt zu vertrauen. Ich würde die Grenze bei 16 Jahren setzen - wie der Gesetzgeber, der dann sexuelle Beziehungen unter Gleichaltrigen erlaubt. Meinem Kind würde ich also sagen: Man wird sehr verletzlich, wenn man die Kontrolle über solche Bilder abgibt und das Vertrauen missbraucht werden sollte. Lass das auf jeden Fall sein, bis du 16 bist. Ist das Kind dann über 16 und hat einen Freund im ähnlichen Alter, würde ich raten: Sei vorsichtig und prüfe gut, wem du ein solch hohes Vertrauen entgegenbringst.

Wie stehen Sie zu Handy- oder Tabletverboten?

Lutz: Manchmal kommt man nicht drum herum. Ich würde so ’nen Punkt auch mal setzen, wenn man etwa dreimal besprochen hat, dass die Hausaufgaben gemacht werden, und das nicht passiert. So ein Nutzungsverbot sollte aber nie zu lang dauern.

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