Jeder wird einmal im Leben zum Beuteltier

28.5.2018, 18:59 Uhr
Jeder wird einmal im Leben zum Beuteltier

© Foto: Thomas Langer/Stadttheater

Kängurus können nicht rückwärts hüpfen. Wen das interessiert? Den rotzfrechen WG-Besetzer, der sich bei einem mäßig erleuchteten Kleinkünstler einschleicht, jedenfalls nicht die Bohne. Dieses Beuteltier hängt schließlich dermaßen unmodischen Ideen nach, dass man es fast schon traditionell nennen möchte. Denn wer, bitte, nennt sich denn derzeit noch mit größter Selbstverständlichkeit Kommunist?

Marc-Uwe Kling, Autor, Poetry Slammer, Liedermacher und Kabarettist, hat mit seinen Känguru-Büchern und Hörbuchversionen auf breiter Ebene einen sagenhaften Erfolg gelandet. Sein Witz funktioniert auf Anhieb als hinreißend skurril. Doch darunter liegt eine kritische Ernsthaftigkeit, die absolut nichts mit gängiger Comedy zu tun. Die Inszenierung von Thomas Stang nimmt es genau damit auf und lässt hinter dem Slapstick eine gesellschaftskritische Schärfe aufleuchten, die reizt, weil sie dem Abend Substanz gibt.

Vertraute Szenen

Wie leicht wäre es doch gewesen, den vielen Freunden der Kling’schen Sprüche zu geben, was längst gefällt. Die Szenen, die Kling selbst in Theaterform gebracht hat, sind den Fans vertraut. Doch die Truppe, die im Kulturforum abliefert, geht weiter. Tristan Fabian, Boris Keil, Jördis Trauer und Thomas Stang – der für Sunna Hettinger als Darsteller einsprang – tauschen die Rollen durch. Jeder ist mal Känguru. Und der Kleinkünstler kommt auch nicht dazu, an seinem Part zu klammern.

Es ist ein Trick, der seinen Zweck erfüllt. Statt wohligem Einnisten im Vertrauten gewähren diese zwei Stunden auch dem Publikum keine Atempause.

Stang dreht das Tempo hoch. Die Pointen werden wie die Einschläge eines Flipperautomaten abgefeuert. Die Darsteller klettern, laufen, tanzen als wollten sie diesem drohenden Gewöhnungseffekt, der ja unbestreitbar in den Zuschauerrängen lauert, zuvorkommen. Und tatsächlich gelingt ihn das auch. Mit einer spürbaren Atemlosigkeit wird das Spektakel verfolgt, was bei einem dermaßen vertrauten Stoff schon als außergewöhnlich gelten kann.

Mit auffallender Sorgfalt wird alles vermieden, was diesem Känguru-Exkurs auch nur den Hauch von Plüschigkeit verleihen könnte. Keine putzigen Accessoires also, sondern ein denkbar schlaues Beuteltier-Outfit hat sich Anke Kreuzer-Scharnagl (Kostüme) überlegt. Mit Parka und einer Militärmütze, deren extreme Ohrenklappen vortreffliche Lauscher abgegeben, wird zugleich eine imaginäre Linie in die 70er Jahre gezogen, als das Kommunistische Manifest durchaus noch WG-Regale zierte. Andreas Braun hat dazu das perfekte Bühnen-Ambiente gebaut: Mit Euro-Palletten – was denn sonst, bitte? – kann im Handumdrehen wirklich jeder gewünschte Raum erschaffen werden.

Die rasant, aber präzise agierenden Darsteller finden sich obendrein zu einer All-Star-Truppe (musikalische Leitung Robert Stephan) zusammen, die die Kling-Songs performt, als wäre Punk das nächste große Ding – ein Erlebnis, das eigentlich nur den Wunsch offenlässt, dass demnächst ein Känguru an der eigenen Wohnungstür klingelt.

Achtung: Die Vorstellungen am Montag und Dienstag fallen wegen Erkrankung aus.

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