Joachim Kerstens Suche nach Glaube, Liebe, Hoffnung

26.9.2017, 18:00 Uhr
Joachim Kerstens Suche nach Glaube, Liebe, Hoffnung

© Foto: Hans-Joachim Winckler

"Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei", schreibt der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief. So beliebt ist der Spruch aus dem Neuen Testament auf Hochzeiten und Taufen, dass die ihn darstellende Kombination aus Kreuz, Anker und Herz beinahe schon abgedroschen wirkt.

Joachim Kerstens gleichnamige Installation vermeidet es, die christlichen Werte in ein altbekanntes Gewand zu packen. Inmitten eines grün tapezierten Räumchens steht, altarähnlich, eine Platte, auf der sich schillernde Gläser aneinanderreihen, allesamt gefüllt mit rotem Wasser. Darüber schwebend: ein blauer, unförmiger Keramikblock.

Neue Motive

"Alles begann mit roter Farbe, die ich versuchshalber in eine Vase gefüllt habe", erzählt Kersten. "Das hat mich an meine Ministranten-Zeit erinnert." Womöglich also an das symbolische Blut Christi, doch das lässt der Künstler ungesagt.

Kersten, geboren 1953, hat die Religion "eher so beiläufig gehandhabt". Ihn interessiere nicht, welche Ikonografie gemeinhin mit Glaube, Liebe und Hoffnung verbunden wird. "Ich wollte neue, zeitgemäße Motive finden, die die Begriffe neu definieren."

Kerstens Installation, die Anfang letzten Jahres bereits im Erlanger Kunstmuseum zu sehen war, passt nach den Worten von Christian Fritsche, Chef der Galerie in der Promenade, hervorragend ins "ReformKiosk"-Konzept.

Unter dem Motto "Freiheit, Wandel, Sinnsuche und Begegnung" versucht das Kunstprojekt im Stadtpark, die Bedeutung von Reformation und Kirche in heutiger Zeit zu ergründen. "Das Projekt findet zwar im Kirchenraum statt, aber es ist nicht rein kirchlich", betont Fritsche. Kerstens Installation teste diesen Grenzbereich aus.

Während seines Stipendiums in Texas lernte der Künstler, der an der Akademie der Bildenden Künste studierte, eine neue Farbenpracht kennen. Schnell verabschiedete er sich vom regionalen "Rentnergrau", satte Primärfarben dominierten fortan seinen Stil. Mit farbenprächtiger Formlosigkeit soll denn auch die Installation Emotionen ansprechen und assoziative Freiheit bieten. Wer will, kann eine Brücke zwischen Religiösem und Weltlichem, Öffentlichem und Privatem schlagen.

Dass Rot auch hier, ganz traditionell, für die Liebe steht, räumt Kersten ein. Doch welche Liebe ist gemeint? Die verschiedenen Abstufungen, von Himbeerrosa bis Blutrot, erinnern an Nächstenliebe, Gottesliebe, erotische Liebe. In den grünen Krakelee-Tapeten spiegelt sich die Hoffnung wider. Wie aus einem vertrockneten Erdboden bricht zwischen dem zerbröckelnden Grün ein erfrischender, gelber Hoffnungsschimmer hervor.

Gewichtig und ungriffig

Das letzte Objekt, ein blauer, vielförmiger Keramikblock, stellt den Glauben dar. "Eine abstrakte Form für einen abstrakten Begriff", so der Künstler. Viele Fragen und Antworten seien mit dem Glauben verbunden. Wie der Block seien sie gewichtig und ungriffig zugleich.

Rot, Grün, Blau — die dominierenden Primärfarben vermischen sich, wie Fritsche interpretiert, der additiven Farbenlehre nach zu einem Weiß — der sinnbildlichen "Erleuchtung". Wer sich an die Tugenden hält, stößt womöglich auf Antworten.

Positioniert zwischen Altar und Ausgang am Kreuzungspunkt der Kirchenachsen, schlägt das Werk eine Brücke zwischen Religiösen und denen, die außerhalb von Bibeltextstellen nach Erleuchtung suchen. Die Suche beginnt stets im Inneren des Betrachters — selbst zu denken, findet Kersten, "ist nicht ganz verkehrt".

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