Jüdische Fürther sorgen sich um ihre Sicherheit

18.2.2015, 11:10 Uhr
Jüdische Fürther sorgen sich um ihre Sicherheit

© Mark Johnston

Die Sorge vor antisemitischen Übergriffen wächst, seit geraumer Zeit schon, sagt David Geballe. Zurzeit wird er fast täglich daran erinnert: „„Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Gemeindemitglied anruft und fragt, ob er hier noch sicher ist“, berichtet der Rabbiner der israelitischen Kultusgemeinde auf FN-Nachfrage. Vor allem ältere Leute hätten Angst, „dass etwas passiert“.

Das merke man zum Beispiel auch, wenn Gottesdienste in der Synagoge enden. „Viele Leute hatten kein Problem damit, am Schabbat mit der Kippa nach Hause zu gehen“, erzählt Geballe. „Das tun sie jetzt nicht mehr.“ Er selbst rät in diesen Tagen zur Mütze - auch wenn es, wie er betont, in Fürth noch keine wirklichen Probleme gegeben habe. „Wir sind lieber vorsichtig. Es braucht ja nur einen einzigen Menschen.“ Das habe man in Paris und Kopenhagen gesehen.

Bereits im Sommer keimten in der Gemeinde Ängste auf, als sich während des Gaza-Kriegs in Europa antisemitische Übergriffe häuften. Als im Juli mehrere Hundert Demonstranten den Nürnberger Hauptbahnhof stürmten, um gegen vermeintlich jüdische Fastfood-Filialen zu protestieren, erschrak Geballe: „Nürnberg, das ist keine Entfernung. Die U-Bahn braucht zehn Minuten hierher.“

Im Herbst kehrte etwas Ruhe ein, doch dann kam der Winter: Bewaffnete Männer überfielen im Dezember in einem Pariser Vorort ein jüdisches Paar, die Frau wurde vergewaltigt. Im Januar erschütterten die Anschläge auf die Charlie-Hebdo-Redaktion und einen koscheren Supermarkt in Paris die Welt. Im Februar folgten die Schüsse in Kopenhagen. Und das sind nur die aufsehenerregendsten Attacken. 851 antisemitische Übergriffe registrierte der Dachverband der jüdischen Institutionen in Frankreich. Im Moment kursiert ein Video im Internet, das einen Reporter zeigt, wie er mit Kippa und versteckter Kamera durch Paris läuft – und beleidigt wird.

„In der Form gibt es das hier nicht“, sagt Geballe. Die Probleme seien in Frankreich viel größer; er führt das auch auf die hohe Zahl an Einwanderern muslimischen Glaubens zurück. In jüngster Zeit steckten hinter antisemitischen Übergriffen „leider meist Leute mit religiösem Hintergrund in islamisch dominierten Ländern“.

Lieber nicht erkennbar

Dafür, dass in Fürth Anfeindungen zugenommen haben, hat der Rabbiner keine Hinweise. Aber auch er macht sich mehr Gedanken als früher: In manche Gegenden Nürnbergs, sagt er, „würde ich nicht als jüdisch erkennbar gehen“. Mehr Schutz für jüdische Einrichtungen hat der Zentralrat der Juden am Montag gefordert. In Fürth rief der Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde bereits im Januar, nach den Terroranschlägen von Paris, nach Polizeischutz für die Synagoge während gut besuchter Gottesdienste. Ein Rund-um-die-Uhr-Schutz würde die Mitglieder beruhigen, so Geballe, doch er räumt auch ein: Angemessen wäre das der aktuellen Situation nicht. In Fürth sei der Kontakt zur Polizei sehr gut, lobt er. Im Sommer hätten die Beamten oft das Gespräch gesucht, um das Gefährdungspotenzial einzuschätzen. Nach den Anschlägen von Paris wurde der Schutz für jüdische Einrichtungen verstärkt. Unter anderem fahren Streifen häufiger vorbei. Der Schutz werde jeweils der Situation angepasst, sagt ein Polizeisprecher.

Wie geht es Geballe, wenn Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu – nicht zum ersten Mal – europäische Juden zur Auswanderung aufruft? Er könne ihn „auf der einen Seite verstehen“. Dennoch ist sich Geballe sicher: „Wir sind zum Glück noch weit davon entfernt, dass man darüber nachdenken muss.“ Er sieht es so wie Dänemarks Oberrabbiner Jair Melchior: Wer nach Israel zieht, sollte das „aus Liebe zum Land“ tun – nicht aus Angst vor Terrorismus.

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