Kaffee, Quark und Bitumen auf Leinwand gebannt

21.6.2013, 10:40 Uhr
Kaffee, Quark und Bitumen auf Leinwand gebannt

© Thomas Scherer

das klingt ein bisschen nach Science Fiction, nach Sternzeit und Lichtjahr; aber auch nach Epochendatierung: Steinzeit, Kreidezeit, Bronzezeit. Jedenfalls schwingt das Gefühl des zeitlichen Entrücktseins mit. Lange her bzw. noch lange bis dahin.

Auf den ersten Blick weiß man gar nicht, ob man wirklich Gemälde oder aber Flachreliefs vor sich hat. Denn Lucie Schaller arbeitet nicht nur mit selbst zubereiteten Kasein-Farben, sondern greift auch zu so unorthodoxen Mitteln wie Sand, Kaffee, Quark, Wachs, Bitumen und anderem. Diese erdfarbenen, grauen oder rostroten Schichten lässt sie ineinander zerlaufen oder grenzt sie voneinander ab. Kratz- und Druckspuren, mit Spatel oder den Fingern bewerkstelligt, wühlen die ohnehin schon heterogene Textur auf, helle Farbkleckse oder schriftartige Arabesken, wie aus der Sahnespritze des Konditors, bringen Schwung in diese Massen.

Obendrein montiert Lucie Schaller auch gerne Objekte in die Bilder. Etwa Stofftaschen, mit Garn umwickelte Briefkuverts, Scheuerlappen, Gaze, Blechbehälter, Stöcke oder auch Bilder im Bild.

Manche ihrer Bilder wirken wie Ausgrabungen, die außerirdische Intelligenzen in weiter Zukunft von unserer untergegangenen Erde ans Tageslicht befördern. Etwa „Kleines Licht“: auf einer rostig braunen Leinwand hängen zwei Blechkästen voller Rostausblühungen. Die Assoziation an Briefkästen drängt sich auf. In Fächern darunter liegen zwei weiße mit einer Banderole verzierte Kerzen. Da denkt man an eine Opferkerze, aber auch an Zigarren mit Bauchbinde. Darunter wiederum befindet sich ein vertikaler Block aus dunkelbrauner Masse, zerklüftet von schwarzen Rissen, doch in der Beleuchtung merkwürdig feucht glänzend. Ein Stück Ackerkrume? Vielleicht sogar Kains Acker, der Abels Blut schluckte? Viele Deutungen stehen offen. Nun, der Briefkasten ist tatsächlich eine blecherne Zigarrenkiste, und der „Acker“ ist ein mit Leinwand überzogenes Brett, das Lucie Schaller mit Kaffeesatz überzogen hat. Beim Trocknen entstanden dann die Risse und Klüfte.

Können Schallers Malobjekte sich nicht doch irgendwann in ihre Bestandteile auflösen? „Nein“, sagt die Künstlerin, „die Bindemittel sind stark genug, um das alles zusammenzuhalten. Vom Bindemittel rührt auch der Glanzeffekt her, obwohl der jetzt nicht so beabsichtigt war.“

Stimmt, die meisten ihrer Bilder strahlen die Aura des Erdigen und Abgelebten aus. Doch die Grenzen zwischen Industriemüll und organischer Struktur sind fließend. Etwa bei einem Bild aus der „Materie“-Serie. Was da grau in grau wie eine Ansammlung kugeliger Wespennester wirkt, ist in Wahrheit eine Pfirsich-Stellage aus Plastik, die uns, mit einer undefinierbaren Masse überzogen, ihre kugelige Kehrseite weist.

Archäologen graben Scherben und Splitter aus, selten kompakte und integre Fundstücke. Oft genug präsentieren Museen ihre Funde halb eingebettet in den Tafeln aus Erdschicht, in denen man sie gefunden hat. Lucie Schallers „Erdzeitgeschenke“ wirken ähnlich – nur um ein paar tausend Jahre in die Zukunft versetzt.

Bis 19. Juli in der Sparkasse Fürth, Maxstraße 32.

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