Kagenhofer Dilemma um einen Garten und Hühner

4.8.2017, 16:00 Uhr
Kagenhofer Dilemma um einen Garten und Hühner

© Foto: Sabine Rempe

"Wir sind gerne draußen." Damit hat Elisabeth Scheidewig eigentlich alles gesagt. Dass es gut tut, aus der Wohnung, die keinen Balkon hat, für ein paar Stunden in den Garten zu ziehen, das versteht sich für die 54-Jährige im Grunde von selbst. Ehemann Michael (62) und Tochter Helena (31) stimmen ihr zu. Ein passendes Grundstück haben sie gefunden.

360 Quadratmeter misst die Fläche, die Helena Scheidewig für die Familie Ende 2016 von der Gemeinde gepachtet hat. Die hatte das Grundstück im gleichen Jahr erworben. Das Gelände liegt direkt an der Zenngrundbahn, die ICE-Strecke ist in Sicht- und Hörweite. In die Ortsgeschichte ging dieses Gebiet ein, weil sich nicht weit von hier in der Nacht zum 10. Juni 1928 ein schwerer Eisenbahnunfall ereignete.

Längst haben sich die Familienmitglieder alles so eingerichtet, wie es ihnen gefällt. "Zuerst einmal habe ich aber sechs Tonnen Bauschutt aus der Erde geholt", erinnert sich Michael Scheidewig an die Anfänge, die vor dem Pachtvertrag mit der Gemeinde liegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück noch einen anderen Eigentümer. Heute gibt es Sitzecken, Hochbeete mit Gemüse und Blumen und eine Schaukel für die elfjährige Tochter von Helena Scheidewig. Die Meerschweinchen und Zwergkaninchen der jungen Frau leben in zwei Ställen. Außerdem hält die leidenschaftliche Tierfreundin drei Hunde.

Unverhoffter Hühnersegen

Im April kamen mehr oder weniger überraschend 14 Hühner und vier Hähne hinzu, die ihr Dasein einem Versuch verdanken, der seinen Anfang bei einer Radiostation nahm. "Die haben dort ausprobiert, ob es möglich ist, Bio-Eier aus dem Supermarkt auszubrüten. Meine Tochter hat das dann nachgemacht." Eine Idee, die Helena für "einen Schmarrn" hielt. Zunächst jedenfalls. 18 quicklebendige Küken belehrten sie allerdings bald eines Besseren.

Doch der Bruterfolg hat ein Nachspiel. Im Pachtvertrag ist festgelegt, dass die Haltung weiterer Tiere schriftlich genehmigt werden muss. Ebenso die Errichtung weiterer Hütten. "Damit es ordentlich aussieht, haben wir im Frühjahr noch so ein Gartenhaus für Heu und Stroh aufgestellt", sagt die junge Frau. Sie habe geglaubt, dass diese Unterstellmöglichkeiten, weil sie bloß 2,50 mal 3,00 Meter groß ist, nicht genehmigungspflichtig sei.

Die Küken habe sie am 9. April "beim Veterinäramt, Amt für Landwirtschaft und Tierseuchenkasse" gemeldet. Dort habe sie erfahren, dass in einem Mischgebiet bis zu 20 Hühner und ein Hahn gehalten werden dürfen. Deshalb habe sie keinen Antrag bei der Gemeinde gestellt: "Ich ging davon aus, dass das legal ist."

Im Mai kam dann die Kündigung. Helena Scheidewig hatte ihre Argumente in Bezug auf Heu-Hütte und Hühner zuvor im Zuge einer Anhörung angeführt. Die Option einer jährlichen Kündigung war allerdings von vornherein im Pachtvertrag festgelegt worden, weil man vorausschauend die Chance auf eine andere Nutzung des Geländes – dazu gehört ein ebenfalls gekündigter weiterer Garten – wahren wollte.

Bürgermeister Marco Kistner erklärte auf FLN-Anfrage: "Wir wollen nach Möglichkeit 2018 an dieser Stelle etwas Neues realisieren." In Frage kommen könnten zum Beispiel Kleingärten, eine Street-Soccer-Spielfläche oder vielleicht ein Hundespielplatz. In einer seiner nächsten Sitzung, so Marco Kistner, werde sich der Gemeinderat noch einmal mit dem Fall befassen.

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