Keidenzell: Alles ist Gold, was glänzt

16.12.2017, 21:00 Uhr
Keidenzell: Alles ist Gold, was glänzt

© Foto: Thomas Scherer

Sie werden sich umstellen müssen, die Keidenzeller. Nicht, weil ihr Kirchturm dann von einem neuen Schieferdach wohlbehütet wird und die Kugel auf dessen Spitze in der Sonne wieder golden glänzt. Nein, gemeint ist der Blick auf die ebenfalls aufgehübschten Ziffernblätter der Uhr. Keidenzell geht in ein paar Monaten wieder mit der Zeit, bisher war das ein wenig anders.

Hatte der Minutenzeiger die Sechs überschritten, hinkte er bei der Kletterei Richtung Zwölf regelmäßig fünf Minuten hinterher. Sobald allerdings der höchste Punkt überschritten war, legte der Zeiger dafür auf seinem Weg zur Sechs fünf Minuten vor. Die Schuld trug ein verbogenes Zeigergestänge, das nun ebenfalls auf Vordermann gebracht wird, wie Pfarrer Christian Wolfram erläutert.

Ein Anstrich, die Orgel

Eigentlich, ja eigentlich hätte der Turm längst eine Frischzellenkur bekommen sollen. Thema sei das bereits vor zwölf Jahren gewesen, sagt Wolfram, der die Kirchengemeinde von der Pfarrstelle in Langenzenn aus betreut und damals seinen Dienst vor Ort antrat. Aber dann kam immer etwas dazwischen: erst ein Anstrich des Kircheninneren, dann die Generalsanierung der Strobel-Orgel. Jedes für sich ein finanzieller Kraftakt für die rund 260-köpfige Kirchengemeinde, zu der neben Keidenzell die Ortsteile Hammerschmiede, Wittinghof, Ödenhof und Klaushof gehören.

Es ist wohl ein ziemlich einzigartiger Sakralbau, der da im westlichen Landkreis steht. Nach dem Dreißigjährigen Krieg waren die Keidenzeller jahrzehntelang Sturm gelaufen und hatten die Bürokratie mit ihrem Anliegen nach einem eigenen Gotteshaus beschäftigt. Lange Zeit vergebens, erst Anfang der 1850er Jahre hatte das beständige Bohren Erfolg: Was jedoch im Januar 1865 mit einem Gottesdienst eingeweiht wurde, war ein kurioses Konstrukt – eine Kombination aus Betsaal, Schulhaus und Lehrerwohnung. Hier lebt jetzt zwar kein Pädagoge mehr, die letzten Schulkinder zogen 1967 aus, vermietet sind die Räume aber noch immer. "Wo gibt es denn so etwas?", fragt Pfarrer Wolfram. "Eine Kirche mit Klingel, Haustür und Briefkasten."

Trotz aller Besonderheiten, ein Los teilt St. Nikolaus mit allen anderen historischen Gemäuern – der Zahn der Zeit fordert seinen Tribut. Nun also beim Turm und speziell bei dessen Dach: Im vergangenen Jahr "sind schon immer Schiefertafeln runtergekommen", erzählt Ernst Ammon, Vertrauensmann im Kirchvorstand. Außerdem bröckelten die vermauerten Sandsteine. Immer wieder fuhr die Feuerwehr aus Langenzenn mit ihrer Drehleiter vor, um mit den Kameraden der Wehr Keidenzell-Stinzendorf die notwendigen Ausbesserungsarbeiten zu erledigen. Aber schließlich wurde das Problem so massiv, dass nicht nur Absperrungen zum Schutz der Passanten notwendig wurden, sondern auch klar war: "Das müssen wir gescheit machen."

Fünfstelliger Betrag

Das kostet Geld, und nicht zu wenig: Ein stolzer fünfstelliger Betrag bleibt trotz aller Zuschüsse von verschiedenen Seiten an den Keidenzellern hängen. Allein aus der Bewirtschaftung des Kirchenstiftungswaldes – 15 Hektar, die sich über den höchsten Punkt des Landkreises, den Dillenberg, erstrecken – wird sich das nicht regeln lassen. "Sie haben schon gespart, meine Keidenzeller", sagt Pfarrer Wolfram, doch der Blick in sein Gesicht verrät, dass ihn die Finanzfrage umtreibt.

Freilich rückten die Handwerker dem Kirchlein nicht zum ersten Mal auf den Leib. Studieren konnten Pfarrer und Vertrauensmann die Reparatur-Historie, als sie die in der Turmkugel befindliche Kupfer–Kassette öffneten. Aus dem Jahr 1881 stammt ein Seidenpapier, auf dem in den Folgejahren unter anderem immer wieder folgende Angaben ergänzt wurden: Welche Arbeiten wurden ausgeführt und von wem? Wer predigte den Keidenzellern und wer bekleidete das Amt des Bürgermeisters? Während das beidseitig beschriebene Schriftstück sehr gut erhalten und größtenteils zu entziffern ist, zerbröselte ein Papierdokument aus gleicher Zeit den Betrachtern unter den Fingern.

Münzen fanden sich, unter anderem aus dem Kaiserreich, die wohl 1913 bei der nächsten Öffnung den Weg in die Kugel fanden. Der Blitz hatte im Turm eingeschlagen, deshalb mussten die Handwerker ran. 1936 gab es Reparaturarbeiten – und zuletzt 1960. Davon zeugen nicht nur ein Zeitungsausschnitt, sondern auch ein kompletter Münzsatz, vom Ein-Pfennig- bis zum Fünf-Mark-Stück. Den gesamten Inhalt hat Ernst Ammon im Übrigen sorgsam fotografiert und die Bilder laminiert, im Vorraum der Kirche kann sie jetzt jeder betrachten.

Und was wird sich künftig in der Kugel finden, die ab Montag wieder die Turmspitze schmückt? Die alte Kupferdose mitsamt Inhalt natürlich und außerdem ein weiteres Behältnis: Wer in einigen Jahrzehnten die Kugel öffnet, wird auf einen USB-Stick mit Bildern, einen Zeitungsartikel und ein neues Seidenpapier stoßen, auf dem wiederum alle wichtigen Informationen zur aktuellen Sanierung notiert sind.

Ein Schmunzeln dürfte den Betrachtern vielleicht entlocken, wenn sie beim Lesen erfahren, wer in den Jahren 2017/2018 auf dem Kirchturm zu Gange war – eine Fürther Firma namens "Teufel".

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