Kein Tropfen Schwarz

13.4.2014, 12:00 Uhr
Kein Tropfen Schwarz

© Horst Linke

Nacht? Ist da nicht alles grau? Ach was, schwarz? Katrin Heichel lacht. Und hat gegen den Griff in die Klischeekiste einen perfekten Konter. Der stammt von Novalis und lautet: „Hat nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht?“ Jawohl, Farbe. Um die geht es auch in der begeisternden Ausstellung, die die junge Malerin aus Leipzig jetzt in den Räumen der Villa präsentiert.

Nachtblau. Dunkelrot. Rost. Indigo. Violett. Gold. Das ist die Palette. Mystisch. Geheimnisvoll. „In meinen Bildern ist kein Tropfen Schwarz“, bekräftigt sie. „Ich produziere keine Löcher, sondern Farbflächen.“ Die Nacht der Katrin Heichel ist ein Wagnis und eine Einladung, das Unbeachtete endlich einmal aufmerksam wahrzunehmen. Vor allem aber schlägt mit der Abwesenheit des grellen Lichts die Stunde der Sinnlichkeit. „Ich assoziiere mit der Dunkelheit, dass man sich plötzlich wesentlich mehr auf seine Instinkte als auf den Verstand verlässt.“ Das sei ohnehin entschieden interessanter als die Hinwendung zu „taghellen Analysen“.

Ihren Sujets wohnt nichts Vertrauliches inne. Palettenstapel, eine Maschine, die den Charme einer Müllpresse verströmt, immer wieder altertümlich anmutende Strommasten. Mit dieser Auswahl habe sie „ein altes, geliebtes Thema wiederentdeckt“, Farbtöne, die sie schon in Studienzeiten bewegten. Heichel, 1972 in Leipzig geboren, studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Arno Rink. Nach ihrem Diplom-Abschluss machte sie bis 2008 bei Neo Rauch ihr Meisterschülerstudium.

Kraftvoll und pastos gemalt sind die Arbeiten, die in den vergangenen beiden Jahren entstanden. Anordnung und Aufbau haben etwas Barockes an sich. Lebewesen machen sich rar. Eine Kröte, ein Nachtfalter. Menschen? Fehlanzeige. Was ihr Interesse erregt, sind Objekte, die beim Betrachten Persönlichkeit entwickeln. Die Aussagekraft jener auf den ersten Blick vorschnell als Abfallprodukte eingeschätzten Gegenstände interessiere „mehr als Glänzendes“.

Ein Stipendium ermöglichte der Künstlerin einen halbjährigen Arbeitsaufenthalt in New York. „Dort habe ich angefangen, weggeworfene Dinge zu beobachten und festzuhalten.“ Ein Schirm, der achtlos am Straßenrand zurückgelassen wurde, wecke bei ihr beinahe ähnliche Gefühle wie eine Person. Wenn diese Gedanken und Emotionen in ihre Bilder einfließen, dann geht es ihr auch um eine Art von Versteckspiel, bei dem Tricks erlaubt sind. Nie darf sich der Betrachter in Sicherheit wähnen. Es ist diese Lust am Doppelbödigen, aus der die Bilderschau im Bühlers einen guten Teil ihrer Spannung bezieht. Wieder einmal übernehmen auch die Räume in Sabine Pillensteins Domizil eine Rolle. Die langen Vorhänge vor den hohen Fenstern sperren den Frühlingsabend aus, Düsterheit wird kultiviert — perfektes Ambiente für Bilder einer anbrechenden Nacht.

„Die Nacht“: Bühlers, Königswarterstraße 22. Mittwochs bis freitags 11-15 Uhr und auf Anfrage (Tel. 93276160). Bis 31. Juli.

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