Kiebitz löst schwere Turbulenzen aus

21.4.2013, 16:00 Uhr
Kiebitz löst schwere Turbulenzen aus

© Hans-Joachim Winckler

Vorbereitenden Erdarbeiten der künftigen Bauherren auf einem Teil des früheren Mederer-Geländes, im Gewerbepark Süd neben der Tucher-Braustätte gelegen, hat die Regierung von Mittelfranken am Freitagmittag einen Riegel vorgeschoben, wie eine Nachfrage der FN ergab. Zudem soll auf sogenannte Vergrämungsmaßnahmen durch flächendeckende rot-weiße Flatterbänder oder aber Bauzäune verzichtet werden, die den Kiebitz mit dem Segen der Stadt abschrecken sollten.

Gutachter unterwegs

Grund: Die Vertreter der Naturschutzbehörde in Ansbach sehen, alarmiert durch den Fürther CSU-Stadtrat und hartnäckigen Vogelfreund Herbert Schlicht, die Balz- und Fortpflanzungstätigkeit der Bodenbrüter auf der Brache beeinträchtigt. Dies verstoße gegen das Bundesnaturschutzgesetz — eine Auffassung, die im krassen Widerspruch zu Erkenntnissen der Fürther Stadtverwaltung steht.

Denn auf Geheiß der kommunalen Umweltbehörde war ein Gutachter eingeschaltet worden. Der Biologe, so schildert es der stellvertretende Amtsleiter Jürgen Tölk, habe das Gelände „mehrfach für mehrere Stunden“ begangen — und dann grünes Licht gegeben: Brütende, revierbildende oder auch nur balzende Kiebitze habe er nicht entdecken können.

Gleichzeitig, so Tölk, wurde in der vergangenen Woche im Eilverfahren eine stattliche Fläche im Knoblauchsland nahe Steinach kiebitzgerecht präpariert. Hier sollen die Vögel Ersatz für ihr in der Südstadt wegfallendes Revier finden. Nach Beanstandungen von Fachleuten wurden von einem Landwirt im Auftrag der Stadt noch nachträglich die Erdmulden geflutet.

Nun, eine Woche später, ist die Regierung dennoch zur Auffassung gelangt, all dies genüge nicht den Vorgaben des Naturschutzgesetzes. Flankierend meldete sich am Freitag der bayerische Landesbund für Vogelschutz in Hilpoltstein zu Wort, der der Stadt in scharfem Ton einen „klaren Verstoß“ vorwirft. Die von den bauwilligen Firmen und mit Billigung der Behörde veranlassten Störungen seien „sofort einzustellen“.

Expertenwort steht gegen Expertenwort, konstatiert ein zunächst einigermaßen ratloser Jürgen Tölk. Geklärt werden könne der Dissens erste kommende Woche, wenn die Stadt ihren eigenen Gutachter dazu befragt hat.

Schon jetzt macht Fürths Wirtschaftsreferent Horst Müller aus seinem Unmut kein Geheimnis. Die Gesetze seien „extrem überzogen, die Verhältnismäßigkeit ist nicht mehr gegeben“, schimpft Müller — zumal es sich doch in diesem Fall um ein reines Gewerbegebiet mit 158 Firmen handle, „also mitnichten um unberührte Natur“. Aus seiner Sicht wurden dessen ungeachtet alle Vorschriften des Natur- und Artenschutzrechts befolgt.

Und auch Baureferent Joachim Krauße reagiert grimmig: „Mich irritiert, mit welcher Inbrunst hier wider jede Vernunft und Gemeinwohl Gesetze exekutiert werden“, sagte er auf Anfrage unserer Zeitung zur grundsätzlichen Problematik. Es könne nicht sein, „dass eine Fläche, für die bereits eine Ausgleichsfläche vorhanden ist, wieder an die Natur zurückfällt“. Dies, glaubt Krauße, könne auch vom Gesetzgeber „nicht so gewollt sein“; er mahnt deshalb „sinnvolle Lösungen“ an.

Sorge um Arbeitsplätze

Horst Müller sieht nun sogar die Bauvorhaben der beiden mittelständischen Firmen, deren Namen er noch nicht nennen möchte, und damit rund 150 neue Arbeitsplätze in Gefahr. Am Mittwoch hat der Stadtrat bereits mit breiter Mehrheit dem Verkauf der 20000 Quadratmeter großen Flächen an die Unternehmen für rund zwei Millionen Euro zugestimmt; nach dem Scheitern der Stadionpläne hatte sie die Stadt ihrerseits von Mederer erworben.

Auch wenn mit ernsthafter Bautätigkeit wohl erst im Herbst und damit nach Ende der Kiebitzbrut-und Aufzuchtzeit zu rechnen ist, wird es nach Müllers Einschätzung „zeitlich brisant“ — denn bereits zuvor seien vorbereitende Arbeiten und Vermessungen nötig. Weitere Verzögerungen aber könnten sich die Firmenchefs nicht leisten

„Sie haben deshalb Angst“, sagt der Wirtschaftsreferent, sein Job werde es nun sein, für Beruhigung zu sorgen. Unabhängig davon treibt Müller eine andere Sorge um: Der aktuelle Konflikt, fürchtet er, könnte „ein äußerst kontraproduktives Signal für künftige Wirtschaftsansiedlungen sein“.
 

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