Klangdusche im alten Flussbad

24.8.2009, 00:00 Uhr
Klangdusche im alten Flussbad

© Thomas Scherer

Finnischer Sommer, Pfadfinderlager, Grillen am Fluss? Kultifest 2009 am Ufer der Rednitz! Draußen wird gegrillt, unter Bäumen und am Fluss die persönliche Seelen- und die allgemeine Weltlage diskutiert, Kinder toben, Babys schauen mit großen Augen in die Welt, Forellen brutzeln, Gemüseduft zieht um das langgezogenen Holzhaus, lauter entspannte, gut aufgelegte, sommerliche Menschen. Drinnen ein bisschen Kunst an den Wänden (genial-skurriler Umgang mit Text und Gestaltung: Fehmi Baumbach), immer noch bezauberndes Bootshausfeeling, Holzplanken, Designerstände mit Täschchen und Kofferanhängern, Karten und allerlei Augengefälligem.

Gott sei Dank auch was Warmes zum Trinken, dazu Kuchen und Süßes zum Niederknien. Die Schokotarte beispielsweise, die ultimative Rettung für gequälte, umgetriebene Seelen. Hinsetzen, Augen zu und genießen. Und wenn man sich dann unter Birken sitzend den Wind um die Nase wehen lässt, einen von drinnen die Klänge von «Trinah» erreichen, dann befindet man sich schon mal flugs 2000 Kilometer weiter nördlich in einem Liegestuhl an einem finnischen See, und der Stress mit der Liebsten ist so weit weg wie Pippi Langstrumpf von einem Pädagogik-Studium.

Modern Soul aus Nürnberg, so wird die leichte, mühelose Musik von «Trinah» umschrieben, und die verdammt relaxte Stimme der Frontfrau passt genau ins Ambiente. Dazu sieht Kathrina März auch noch exakt so aus wie sie singt. Grazil und kraftvoll zugleich, geschmeidig mit einer erdigen Standfestigkeit. Eine Musik: Chillig, unglaublich gelöst und entkrampft, ohne dabei belanglos zu sein. Sehr professionell, geht geschmeidig ins Ohr und von da direkt in Herz und Gemüt.

Dann wird kurz umgebaut, viele Eltern besinnen sich auf die Uhrzeit und stecken den gähnenden Nachwuchs zu Hause in die Betten. Gut so, denn «OH NO NEO!», Elektropunk aus München, heizt nach dem Wohlfühlprogramm erst einmal kräftig ein. Drei fesche Jungs mit treibendem Beat spielen, als ginge es um ihr Leben. Kräftig, laut, rabiat, ungeniert, ohne dabei aufdringlich zu sein.

Live am besten, heißt es auf «MySpace». Stimmt. Die starke, elastische, gelenkige Mischung aus Drums, Elektrosynthiehämmern und Gitarren, gewürzt mit Gesang, fährt direkt in die Beine. Nicht nur dem Publikum. Dann denkt man, die Veranstalter können doch nicht noch ein Highlight aufgetrieben haben.

In Blitzmanier

Haben sie aber. «Klaus Thunder & Ukkosmaine» aus Finnland begeistern mit Disco-bizarre. Das trifft’s wohl am besten. Klaus Thunder, der spaßige Typ im schwarzen Glitterfummel und roter Federboa, singt sich die Seele aus dem finnischen Leib, begleitet am Synthie von keinem Geringeren als Wilhelm Meister, und stürmt dabei in reinster Blitzmanier über die Plankenbühne, so dass es eine wahre Pracht für Auge und Ohr ist. Eine Aerobicstunde mit Madonna ist Pipifax dagegen. Drängend, heiß, schräg, finnisch eben. Die Menge darf mitsingen (auch wenn die meisten kein Wort verstehen), nach mehr Schnelligkeit verlangen und sich nicht zuletzt mit Klaus Thunder fotografieren lassen.

Danach pilgern alle, des ungestörten Nachtschlafes der Nachbarn wegen, in den Kunstkeller o27, wo «Robert Coyne Outfit» aus London noch für ein Stündchen aufspielen. Drei Gitarren, Bass und Schlagzeug in Old-School-Manier. Und vorm Schlafen noch ein wenig DJane Fehmi Baumbach. Bunte, coole Mischung. Sommer am Fluss. Bitte mehr davon.

CHRISTINE STUBENVOLL

Auch wenn die ehemalige Lehrwerkstatt selbst zu später Stunde mehr einem Treibhaus als einem Konzertraum glich, beherbergte sie beispielsweise beim Auftritt von «Christie & Emily» – nicht nur aufgrund der gelegentlich einsetzenden Schauer – eine beachtliche Anzahl Musikinteressierter. Die beiden aus Brooklyn stammenden psychedelischen Minimalsoundtüftlerinnen bedienten sich verschiedener Instrumente (u. a. Wurlitzer Electric Piano, Cymbal, Gitarre), die sie mit elektronischen Samples und Loops kreuzten. Zusammen mit ihren klaren Stimmen eine krude, jedoch strukturlose Indie-Mischung, die nur bedingt die Anwesenden im Schwitzkasten bleiben ließ.

Anders der Headliner «The Nightingales». Reformiert im Jahre 2004, besticht die Uralt-Punk ’n’ Roll-Formation (Gründungsjahr 1979) um das einzig verbliebene Originalmitglied und Ex-The Prefects-Sänger Robert Lloyd durch eine extra Portion Körperenergie und einen famosen Alan Apperley, der im feinen Anzug lässig auf der Gitarre zockend die Coolness in Person war. Hinter ihm als Kontrast Schlagzeuger Daran Garratt, der sich oberkörperfrei völlig verausgabte und nach dem Konzert sichtlich angeschlagen den erstbesetzten Stuhl zur Regeneration ansteuerte. Ob von ihrem neuen Album «Insult to Injury» oder Hits wie «I Can’t Control Myself», The Nightingales schraubten das Stimmungslevel (mit den Aushilfskräften Christy & Emily) bis unter die Hallendecke. Fazit: Mitte August sollte 2010 in

allen Fürther Kalendern schon frühzeitig mit einem «Kultifest» versehen werden! ANDI DOLLINGER