Klezmer-Festival: Vom Insider-Treffen zum Magneten

10.3.2018, 15:00 Uhr
Alicia Svigals eröffnete am Freitagabend mit ihrem Klezmer Fiddle Express das Festival.

© Hans-Joachim Winckler Alicia Svigals eröffnete am Freitagabend mit ihrem Klezmer Fiddle Express das Festival.

War das eine Herzenssache oder Pflicht?

Floritz: Zunächst einmal war es ein Erbe, also durchaus Pflicht. Aber ich habe es gern übernommen, weil ich vorher schon über meine Freundin Monika Feil von der Band Fialke Berührungspunkte mit dieser Musik hatte.

 

30 Jahre Klezmer Festival als Diagramm: Würden Sie eine ansteigende Kurve zeichnen? Oder gibt es auch Dellen?

Floritz: Ich würde eine steil ansteigende Kurve zeichnen, die sich eingependelt hat. Was die Zuschauerzahlen betrifft, so ist die Kapazität des Kulturforums begrenzt, ausverkauft ist ausverkauft. Und um das Motto "Größer, Höher, Weiter" ist es mir nie gegangen. 1988, beim Start noch unter dem Namen "Wochenende für Jiddisches Lied", war es immens schwierig, gute Gruppen zu kriegen. Das war ein reines Insider-Treffen. 2004 war dann sicherlich eine Zäsur, aber nicht wegen Claudia Floritz, sondern weil es ab diesem Jahr das Kulturforum gab. Ein Festival-Zentrum schafft eine ganz andere Atmosphäre. Und damit war sicherlich auch die Zeit reif für andere Schwerpunkte.

 

Der Beginn 1988 war ein Fall für Spezialisten. Und das Festival 2018?

Floritz: Heute ist es ein Szenetreffen des Who’s Who der Klezmer-Szene. Keine US-Klezmerband, die hier noch nicht auftrat. Und es ist eine Gelegenheit, sich mit jüdischer Kultur zu beschäftigen. Es war uns immer wichtig, das Festival zeitlich mit der Woche der Brüderlichkeit zu verknüpfen. 2018 haben wir zum zweiten Mal den neuen Untertitel "& Jewish Music Today". Wir verstehen uns als Abbild der jüdischen Musik im Hier und Jetzt. Das muss nicht zwangsläufig Klezmer sein. Eine jüdische Popband aus Berlin würde ich einladen.

 

Festivals für jiddische Musik gibt es viele. Was mussten Sie in Ihrer Amtszeit tun, um Fürth international auf der Landkarte zu platzieren?

Programmchefin und Kulturamtsleiterin Claudia Floritz (links) mit ihrer Vorgängerin Renate Dix.

Programmchefin und Kulturamtsleiterin Claudia Floritz (links) mit ihrer Vorgängerin Renate Dix. © Hans-Joachim Winckler

Floritz: Eigentlich ganz banal: Ich musste Gruppen von Sankt Petersburg bis Toronto schlichtweg einladen. Bedenken Sie, wie schwierig die Kommunikation noch 1988 war. Das Kulturamt hatte bis zum Jahr 2000 keinen PC. Inzwischen ist es natürlich viel einfacher, international zu agieren. Und so simpel es klingt, aber: Mit einer Homepage ist man international präsent. Geholfen hat uns sicherlich auch, dass die Stadt und der OB sich zu dem Festival bekennen. Andere Städte scheitern oft wegen des Geldes. Wir aber zählen neben Krakau, Toronto, Amsterdam und Wien zu den wirklich langlebigen Festivals.

 

Trotzdem jammern Festivalleiter immer auch gern. Fehlendes Geld, fehlende Sponsoren, fehlende Aufmerksamkeit. Sie haben jetzt die einmalige Chance, einfach mal zu jammern.

Floritz: Wir haben weniger Budget als 2004, weil die Sparrunden vor fünf, sechs Jahren für uns Kürzungen um etwa ein Drittel bedeuteten. Inzwischen ist das wieder besser, obwohl Reisekosten, Hotels und Honorare in den 14 Jahren deutlich gestiegen sind. Weil wir aber mehr Einnahmen generieren und Sponsoren haben, konnte ich das bislang immer ausgleichen. Ich habe keinen Grund zum Jammern. Wären die Sparrunden allerdings weitergegangen, dann wäre es für uns kritisch geworden.

 

Woran erkenne ich, dass es sich 2018 um ein Jubiläums-Festival handelt?

Floritz: Wie gesagt, es geht mir nicht um "Größer, Höher, Weiter". Mir ist wichtig, mit diesem Festival zu zeigen, dass es mit 30 Jahren noch immer eine Zukunft hat. Nehmen Sie das Abschlusskonzert (Orchester Jakobsplatz München und Geiger Pawel Zaleijski am 18. März um 19.30 Uhr im Stadttheater, FN). Es ist ein klassisches Konzert, eine Auftragskomposition, die 2017 in München Uraufführung hatte. Sie hat vier Teile, vom Junggesellenabschied über Hochzeit und Prozessionen zum Bankett und Brauttanz. Ich hörte das damals, es war ein Wechselbad der Gefühle. Es ist richtig moderne orchestrale Musik. Es könnte manchen Zuhörer verschrecken. Es kostet sehr viel Geld. Aber dann habe ich gesagt: Wer soll das machen, wenn nicht wir? Wenn wir 2018 diesen Schlusspunkt setzen, geht die Tür auf in die Zukunft. Denn ich finde, wir sollten nach 30 Jahren nicht so viel zurückschauen, sondern nach vorn.

 

Zuletzt bitten wir um Ihre Empfehlungen für drei grundverschiedene Zuschauer-Typen. Erstens: Der Traditionalist, der zuletzt 1994 vorbeischaute.

Floritz: Da empfehle ich unbedingt ein Wiederhören mit Jalda Rebling (11. März, 20 Uhr, Kufo), denn mit ihr und dem jiddischen Lied fing das Festival 1988 an.

 

Das Ehepaar um die 50, das sagt: Wir mögen keine kieksenden Klarinetten, sind aber aufgeschlossen.

Floritz: Wenn sie ganz neugierig und offen sind, dann rate ich zu Gulaza aus Israel (15. März, 19.30 Uhr, Kufo). Sehr orientalisch und definitiv kein Klezmer. Und gleich danach (22 Uhr) zum Aletchko Trio, dann kennen sie die ganze Bandbreite dieser Musik.

 

Der 20-Jährige, der richtig was auf die Ohren will.

Floritz: Auf jeden Fall zu Ramzailech (17. März, 22 Uhr, Kufo) zum wilden Abtanzen im unbestuhlten Saal. Das ist wirklich Hardcore-Klezmer. Oder Klezmafour (17. März, 19.30 Uhr, Kufo) aus Polen, übrigens eine von vielen Bands, deren internationale Karriere in Fürth begann.

Karten mit ZAC-Rabatt im FN-Ticket-Point (Schwabacher Straße 106, Tel. 2 16 27 77) und ohne Rabatt an den Abendkassen.

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