Kommunen in Not

5.12.2010, 22:00 Uhr
Kommunen in Not

© Mark Johnston

Elf Jahre lang – von 1993 bis 2004 – war er der Herr über die Stadtkasse Münchens. Und auch nach seiner Amtszeit dreht sich beim Autor des Buches „Die Stadt in der Krise – ein Manifest für starke Kommunen“ immer noch alles um Ausgaben, Steuereinnahmen und Schuldenberge. Man kann mit Fug und Recht behaupten, der frühere Kämmerer Klaus Jungfer ist ein Fachmann in Sachen städtische Finanzen.

Auch bei der Podiumsdiskussion des Deutschen Gewerkschaftbunds (DGB) im Kulturforum beeindruckte Jungfer, Jahrgang 1940, mit Sachkenntnis und interessanten Zahlen. „Kommunen in Schieflage – blutet Fürth aus?“ lautete die Überschrift der Veranstaltung – eine eher rhetorische Frage, angesichts der immer neuen Sparpakete, die der Stadtrat schnüren muss.

Jungfer betonte, dass Fürth mit seinen Finanzproblemen nicht alleine dasteht. Nach seinen Worten können die deutschen Städte und Gemeinden nur noch halb so viel Geld in ihre Infrastruktur stecken wie noch vor 20 Jahren. „Der Verfall von Straßen und Schulgebäuden springt einem in einigen Städten regelrecht ins Auge“, sagte Jungfer.

Der mancherorts geäußerte Vorwurf, die Kommunen lebten über ihren Verhältnissen, hat Jungfer zufolge – wenn überhaupt – allenfalls noch vor zwei Jahrzehnten zugetroffen, was er mit einem Beispiel zu den Personalkosten untermauerte. Diese seien 15 Jahre lang kaum gestiegen. Höhere Löhne hätten die Städte stets mit Stellenabbau aufgefangen.

Erst seit rund fünf Jahren würden die Personalausgaben wieder wachsen. Der Grund: „Die Städte haben bei der Ausstattung mit Personal den Bodensatz erreicht.“ Sie können nicht noch mehr entlassen und auf diese Weise folglich keine Tarifsteigerungen mehr auffangen. Angesichts dessen könne von „über den Verhältnissen leben“ keine Rede sein.

Armes Hof, reiches Coburg?

Mit Jungfer saßen Fürths Rathauschef Thomas Jung, der DGB-Chef für Mittelfranken, Stephan Doll, und der Personalratsvorsitzende der Stadt Fürth, Hans-Stefan Schuber, auf dem Podium. Schuber sprang für Luise Klemens von ver.di Bayern ein, die es wegen des Schneefalls nicht nach Fürth geschafft hatte.

Einig war sich das Quartett darin, dass Bund und Länder einen Anteil an der Finanzmisere der Kommunen haben. In den vergangenen Jahren hätten diese immer neue Aufgaben auf die Städte und Gemeinden übertragen, ohne für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Zudem benachteilige das Steuersystem die Kommunen.

Von einem „Verteilungsproblem“ sprach Fürths OB. Es gebe in Bayern durchaus Städte, die über Geld verfügen, sagte Jung. Während Fürth rund 38 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer einnimmt, dürfe sich Regensburg über 155 Millionen freuen. Noch krasser: Hof erhalte acht Millionen Euro von den dort ansässigen Unternehmen, das nicht weit entfernte Coburg 100 Millionen.

Harsche Worte kamen von Gewerkschaftern. Nicht nur Stephan Doll unterstellte der Regierung in Berlin, die Kommunen sehenden Auges ausbluten zu lassen, damit sie ihre ureigenen Aufgaben in private Hände geben müssen. Zudem forderte Doll weitere Demonstrationen für eine bessere finanzielle Ausstattung der Städte. Diese müssten ihre Bürger für das Thema sensibilisieren und für Proteste mobilisieren.

Abschließend bat Martin Feder, DGB-Sekretär und Moderator des Abends, die Diskussionsteilnehmer, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Auch im Jahr 2020, so die einhellige Meinung, sollten Städte in der Lage sein, ihre Aufgaben wahrzunehmen, ohne sich dafür „bis über die Halskrause“ verschulden zu müssen. Denn: Wohlhabende Menschen seien vielleicht nicht auf einen funktionierenden Öffentlichen Dienst angewiesen, sagte Hans-Stefan Schuber. Alle anderen aber schon. „Der Öffentliche Dienst“, so Schuber, „ist der Reichtum des kleinen Mannes.“