Konjunktur für Hochzeiten, Hits und Heuschnupfen

14.4.2014, 06:00 Uhr
Konjunktur für Hochzeiten, Hits und Heuschnupfen

© Hans-Joachim Winckler

Was, bitte, ist eigentlich so toll an diesen drei Monaten? Gibt man bei Google das Stichwort „Frühling“ ein, ploppen exakt 15700000 Ergebnisse in 0,25 Sekunden aus der weiten Welt des Internets auf. Eine ebenso schnelle Antwort auf die Frage nach dieser speziellen Faszination findet sich nicht. Dafür gibt es seitenweise Neues übers Fasten, Flirten, Fitwerden und den Hang zum energischen Frühjahrsputz. Entschieden romantischer ist, was Marcus (42) und Margit (42) Dyhr mit dieser Jahreszeit verbinden: „Am 11. April 2011 haben wir uns nach über zwanzig Jahren wiedergefunden“, erzählen die beiden.

Konjunktur für Hochzeiten, Hits und Heuschnupfen

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Kennengelernt hatten sie sich, wie es in Fürth seit Generationen guter Brauch ist, in der Tanzschule Streng. „Anschließend haben wir uns aber aus den Augen verloren.“ Ein zufälliger Klick bei Facebook führte dann zum Wiedersehen. „Wir haben uns im Wiesengrund an der alten Mühle in Vach getroffen und sind miteinander spazieren gegangen.“ Wohin das geführt hat, bewundern in diesem Augenblick viele Passanten in der Fußgängerzone. Das elegante Hochzeitsoutfit lässt keinen Zweifel daran, dass Margit und Marcus gerade aus dem Standesamt kommen. Der Song, sagt die Braut, der damals in der Tanzschule der Hit war, hat eine neue Bedeutung gewonnen: „Wir haben da immer Whitney Houston und ihr ,I will always love you‘ gehört.“

Konjunktur für Hochzeiten, Hits und Heuschnupfen

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Für Ly Nguyen (18) und Josi Hobbs (19) steht in diesem Frühling das Abi an. „Aber wir sind noch nicht wirklich im Stress“, sagen die beiden. Trotzdem heißt in den Osterferien das Motto natürlich: „Gas geben beim Lernen“. Erste Pläne für die Zeit nach den Prüfungen? „Ich freu’ mich auf das Open’er Festival in Polen, da möchte ich gerne hinfahren“, verrät Josi. Für irgendwelche modischen Vorgaben haben die Schülerinnen wenig Interesse. Statt das, was gerade angesagt ist, zieht Ly lieber an, worauf sie gerade Lust hat. Heute ist das ein T-Shirt, von dem der Musiker Pharrell Williams und das gute, alte Krümelmonster freundlich grüßen.

Konjunktur für Hochzeiten, Hits und Heuschnupfen

© Hans-Joachim Winckler

Karin Hippelein arbeitet regelmäßig in einem Modehaus in der Schwabacher Straße mit. „In diesem Frühling gibt es viele tolle Schals und Tücher, außerdem ist viel Glitter zu sehen“, sagt die Fachfrau. Sie selbst sei „nicht so die Glittermaus“, aber sie hat sich ein schickes Tuch umgebunden. Ihr größtes Vergnügen im Frühjahr? „Sobald es schön ist, geht es raus“, freut sich die 70-Jährige.

Konjunktur für Hochzeiten, Hits und Heuschnupfen

Wenn die milde Witterung hierzulande eine kurze Pause einlegt, erwachen ja gerne Sehnsüchte nach fernen, möglicherweise wärmeren Ländern. Margit Mühlrath-Northmann ist Stewardess und weiß: „Woanders war das Wetter dieses Mal oft wirklich grottenschlecht.“ Vor wenigen Tagen in New York, zum Beispiel. „Kalt und regnerisch.“ Ende März herrschten dort sogar noch Minusgrade vor.

Bad in der Pegnitz

Die 53-Jährige sagt: „Den Frühling genieße ich, wenn ich nach Hause komme und in den Beeten im Garten etwas Neues entdecke. Ganz viele Vergissmeinnicht, meine Lieblingsblumen, gibt es jetzt und diese Woche ist ein ,Tränendes Herz‘ aufgegangen.“ Familienhund Leni, ein achtjähriger Labrador, kann der Jahreszeit sowieso nur Gutes abgewinnen: „Sie war heute schon kurz in der Pegnitz baden.“

Rainer Fliege ist Deutschlehrer am Hardenberg-Gymnasium. Die richtige Adresse also für die Frage, warum so viele Dichter vom Lenz angeregt werden? „Dichter brauchen Kraft — und wer, wenn nicht der Frühling, spendet so viel Kraft für Neues? Sicher wirkt auch seine Fähigkeit, Altes hinter sich zu lassen, ebenso wie der Aufbruch der Natur, inspirierend.“ Der erfahrene Pädagoge hat oft erlebt, dass zum Beispiel ein Werk wie Frank Wedekinds Drama „Frühlings Erwachen“ auch heute noch Schüler mitreißt. Ein Effekt, den Eduard Mörikes Gedicht „Er ist’s“ trotz des berühmten „blauen Bands“ sicher nicht unbedingt erzielt. Rainer Fliege hat zu dem Klassiker eine persönliche Erfahrung: „Ich war bei Freunden in Pflummern, dort entstand das Gedicht. Es gibt sogar eine Bank, die einen Blick auf das Tal erlaubt, das Mörike anregt haben soll.“

Und was verbindet der 48-Jährige mit dieser Jahreszeit? „Heuschnupfen“ heißt die trockene Antwort. Frühblüher wie Birke und Hasel machen ihm zu schaffen. Etwas Gutes sieht er allerdings: „Wenn ich niesen muss und erkläre, warum, dann gibt es sofort ein Gesprächsthema. Viele sind allergisch, das verbindet augenblicklich — und das ist eigentlich sehr nett.“

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