Kufo: Ergreifende "Geschichten von da und hier"

9.10.2017, 17:40 Uhr
Kufo: Ergreifende

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Hergekommen aus der Fremde bedeutet noch nicht angekommen. Ein Dach überm Kopf, ordentlich zu essen und das Gefühl, in Sicherheit zu sein, all dies bildet zwar die Basis für Heimatgefühl, ist es aber noch längst nicht. Als nächstes tritt der mehr oder weniger mühsame Spracherwerb hinzu. Die persönliche Neugier an der neuen Umgebung hilft, heimisch zu werden, das Festhalten an der alten Herkunft hindert den Prozess. Und dann gibt es noch die Reaktionen der Einheimischen, deren Akzeptanz, Desinteresse oder sogar unverhohlene Ablehnung. Und schließlich: Um wirklich heimisch zu werden, braucht es vermutlich Zeit, Lebenszeit.

All dies thematisieren 15 Laienschauspieler — Senioren und Flüchtlinge — unter der Anleitung von Johannes Beissel im Kulturforum. Ihre "Geschichten von da und hier" bilden eine lockere Aneinanderreihung von Szenen, die in ihrer Reihenfolge durchaus austauschbar sind. Dabei spielen die Herren und Damen unterschiedlichen Alters und Herkunft (von Franken bis Äthiopien) nicht sich selbst, sondern einen jeweils anderen aus der Gruppe. So stellt sich ein älterer Herr als junger Flüchtling vor, ein junger Flüchtling als altgediente Einheimische.

Sie alle betreten die Bühne mit nur einem Schuh am Fuß, den anderen Schuh müssen sie sich erst noch anziehen. Bloß ist dies Schuhwerk ein ganz anderes Fabrikat. Der eine oder andere im Kufo ahnt: Gleich gibt’s Ärger, denn genauso einseitig beschuht trat der Held Iason einst dem König Pelias gegenüber. Der stand vor der Entscheidung: dem Fremden Gastfreundschaft gewähren oder Rausschmiss?

Die Menschen auf der Bühne definieren sich über Namen, Alter, Herkunft und vor allem: mit ihren Wünschen und Hoffnungen. Diese unterscheiden sich gar nicht so sehr voneinander, sie alle zielen auf Selbstverwirklichung ab, sprich: auf die Entfaltung der musischen Kreativität, möglichst mit der Aussicht, davon den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Nun folgen Szenen aus Alltag und inszeniertem Alltag. Eine TV-Moderatorin persifliert eine Show, bei der Kandidaten und Publikum erraten sollen, welche biografische Aussage eines Kandidaten nicht zutrifft. Die Show gerät zu einem sarkastischen Spiel mit unseren Vorurteilen gegenüber Ausländern.

Herrlich plakativ

Bleibt die Frage, wie die Integration gelingen soll. Manche Szenen sind so herrlich plakativ, dass sie bewusst zum Lachen reizen. Etwa, wenn die Darsteller im Chor zu einer exotischen Melodie einen fränkischen Text intonieren ("Allmächd, is des schee. . ."), wenn hoch beschäftigte Handyträger die Habenichtse herumschubsen, oder wenn die Suche nach dem Platz im Leben zur "Reise nach Jerusalem" gerät, bei der jeder sich auf den nächsten Stuhl stürzt und einer ausscheidet. Bloß, dieser Konkurrenzkampf tobt bereits seit Jahr und Tag.

Was erhoffen sich die Neuankömmlinge? Nicht viel mehr als das Leben im Schlaraffenland, weshalb der Märchentext von den gebratenen Tauben und Fischen, die einem direkt in den Mund fliegen und schwimmen, hier aufs Genüsslichste rezitiert wird. Angesichts der Fürther Kirchweih eine plastisch nachvollziehbare Vision. Und die kulturellen Genüsse? Musik spielt eine große, verbindende Rolle, wobei auch dieses Element facettiert wird. Jeder bevorzugt seinen Stil — von Bach über Harry Belafonte bis zu Pink Floyd und Peggy March — und verbindet eigene Erlebnisse mit diesem oder jenem Song.

So suggerieren alle Szenen, dass die Flüchtlinge so gar nicht verschieden sind von den Einheimischen. Letztlich geht es allein darum, seinen Platz im Leben zu erringen, sich selbst zu finden und möglichst noch einen Partner fürs Leben dazu. Sprachliche und kulturelle Abgrenzungen sind gegenüber diesen Lebensaufgaben zweitrangig. Und so intoniert jeder Darsteller am Ende für sich: "Ich bin ein Mensch!" Das freilich ist auch nur der kleinste gemeinsame Nenner.

Verwandte Themen


Keine Kommentare