Kunst auf der Haut: "Natürlich tut es weh"

15.10.2017, 10:00 Uhr
Kunst auf der Haut:

© Hans Winckler

Ausdrucksstarke Gesichter, Tiger, Totenköpfe und ein Kompass in 3D: Detailreich und nur in Nuancen von grau und schwarz bringt Viktor Meyer Bilder unter die Haut. "Ich male, seit ich klein war", erzählt der muskulöse Fürther, dessen Studio an der Billinganlage zu finden ist. Zum Beruf hat er sein Hobby aber 2002 gemacht, nachdem er seinen Job in der Produktion bei AEG verloren hatte und ihn Freunde drängten, mit dem Tätowieren anzufangen.

"In drei Jahren habe ich mich professionalisiert", sagt der gelernte Schweißer aus dem Kaukasus. "Man zeichnet, übt, geht auf Conventions." Besonders schätzt er die internationale Tätowierermesse in Zwickau: "Die ist sehr fein und produktiv." Die größte Convention mit über 700 Tätowierern finde in Frankfurt statt, die älteste in London.

Einen typischen Kunden gebe es nicht. "Es sind junge Leute ab 18 Jahren dabei, aber ich habe auch schon eine Frau mit 76 Jahren tätowiert." Es kämen in etwa gleich viele Frauen wie Männer – viele davon aus dem Norden Deutschlands oder Europas: "Wenn Sie in den Urlaub fahren, suchen Sie sich ja auch raus, wo Sie hingehen." Viele seiner eigenen Tattoos, die er an dem kühlen Morgen zunächst unter einem schwarzen Kapuzenpulli verborgen hat, hat er sich in der Ukraine stechen lassen. "Ich will ja etwas Gescheites, das ich mein Leben gerne trage."

Über Leute, die sich beim nächstbesten Studio tätowieren lassen und dann später frustriert bei ihm sitzen, um das Ergebnis korrigieren zu lassen, kann er sich nur wundern. "In Zeiten des Internets kann man sich doch überall informieren." Er rät, sich immer vor Ort selbst einen Eindruck zu verschaffen. Denn: "Die Chemie zwischen Kunde und Tätowierer muss stimmen."

Außerdem gebe es unzählige Stile. "Ich zum Beispiel mache nur fotorealistische Sachen und nur in Schwarzweiß", erklärt der Unternehmer. Warum er keine farbigen Bilder unter die Haut bringt? Meyer zuckt die Schultern. Das sei eben Geschmackssache. Ohnehin tätowiere er nur Motive, die ihm selbst gefallen. "Sonst mache ich es nicht", sagt er selbstbestimmt. "Geld zu verdienen, steht für mich nicht an erster Stelle." Auch wenn ein Kunde nicht wisse, was für ein Tattoo er will, schicke er ihn weg. "Dann ist er noch nicht bereit. Bei uns gibt es nichts zum Blättern oder Schauen", sagt der Fürther. "Einen Katalog haben wir nicht."

Sieben Stunden für ein Porträt

Im Internet finden sich aber schon einige seiner Werke. Manche davon sind auf Conventions entstanden, für einige hat er Preise bekommen, etwa fürs beste schwarz-weiß Tattoo, das auf der Messe gemacht wurde. Ob das Tätowieren weh tut? "Natürlich tut es weh", sagt Meyer ohne Umschweife. "An manchen Stellen mehr, an anderen weniger. Wer etwas anderes sagt, lügt." Etwa eine halbe Stunde dauert ein Schriftzug, für ein Porträt braucht er zirka vier bis sieben Stunden.

"Wenn ich eine Brille tätowiere, dauert es alleine eine Stunde länger", erklärt Viktor Meyer, in dessen Studio noch sein Bruder, sein Sohn und ein Lehrling arbeiten. "Es kommen immer viele und wollen gezeigt kriegen, wie man Tätowierer wird", erzählt er. Eine offizielle Ausbildung dafür gibt es nicht. Interessenten sollten künstlerisch begabt sein und malen können. "Ich kann nur helfen, zeigen, korrigieren", so der Fürther, der sich freut, dass Tattoos heute zusehends als Kunst auf der Haut anerkannt würden.

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