Lärmgrenzen: Fürther Gustavstraße kämpft nicht mehr allein

21.4.2015, 06:00 Uhr
Auch ohne Musik ist das Weinfest in der Gustavstraße abends zu laut. Nach einem Gerichtsbeschluss sagten die Wirte es 2014 ab.

© Archivfoto: Winckler Auch ohne Musik ist das Weinfest in der Gustavstraße abends zu laut. Nach einem Gerichtsbeschluss sagten die Wirte es 2014 ab.

Am Freitag sind mehrere Hundert Kahler für ihre „Kerb“ auf die Straße gegangen. Sie appellierten an den Gesetzgeber, Traditionsfeste zu sichern und für solche Veranstaltungen großzügigere Lärmgrenzen zuzulassen. Nach einem Bericht der Aschaffenburger Tageszeitung Main-Echo hat sich auch Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) für das Fest stark gemacht. Er habe Wirtschaftsministerin Ilse Aigner bereits gebeten, „Lösungen zu suchen“.

Fürths Rathaus reagierte prompt mit einer Pressemitteilung: "So traurig es ist, dass die seit Jahren schwelenden Konflikte in der Fürther Gustavstraße die hohe Politik in Bayern bisland nicht zum Handeln bewegt haben, so erweckt diese erste konkrete Aussage eines Münchner Kabinettmitglieds doch noch Hoffnung", heißt es darin. Für Oberbürgermeister Thomas Jung sei es allerdings „bezeichnend, dass erst der Stimmkreis eines Ministers berührt werden muss, bevor auch die CSU feststellt, dass hier in Franken Tradition und Lebensqualität wegen eines Klage-Feldzugs einiger Weniger bedroht sind“. Doch ist die Hoffnung berechtigt?

In Kahl geht es allein um ein dreitägiges Fest: die Kirchweih, die es seit 1911 gibt und die - nach Jahren, in denen der Veranstaltungsort wechselte - seit 2005 vor der örtlichen Festhalle stattfindet. Im vergangenen Jahr hat sich eine Anwohnerfamilie gegen den Lärm gewehrt und im Januar 2015 vom Verwaltungsgericht Würzburg Recht bekommen.

Wie die Organisatoren betonen, ist die dreitägige Kerb – von Samstag bis Montag – die einzige Veranstaltung im Jahr auf dem Platz. Zudem habe man 2014 das Programm schon abgespeckt, etwa am Sonntag ganz auf Musik verzichtet. Ursprünglich sollte die Musik am Wochenende um 23 Uhr und am Montag um 22.15 Uhr enden.

Das Gericht hat bei der Urteilsbegründung berücksichtigt, dass es sich um ein Volksfest handelt. Es stellte fest: Da solche Feste „für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung“ sein können, „werden die mit ihnen verbundenen Störungen von verständigen Durchschnittsmenschen in der Regel in höherem Maß akzeptiert als andere Immissionen“.

Grenzen auch beim "schutzwürdigsten Volksfest"

Dennoch sahen die Richter das hinnehmbare Maß überzogen: Bei besonderen Veranstaltungen, den sogenannten „sehr seltenen Ereignissen“, müssten Anwohner, „falls keine geeigneten Alternativstandorte existieren“, zwar mehr Lärm ertragen als gewöhnlich. „Aber selbst dies gilt nicht grenzenlos“, heißt es: „Auch das schutzwürdigste Volksfest sollte in der Nachtzeit nach 22 Uhr in der Regel wenigstens die Tagrichtwerte der Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Ereignisse einhalten“. Das bedeutet: Bei ganz bedeutsamen Festen darf es nach 22 Uhr noch so laut sein wie bei anderen Veranstaltungen ("seltenen Ereignissen") tagsüber: 70 Dezibel.

Dieser Ausnahmewert aber sei Anwohnern allenfalls am Samstag zuzumuten, nicht aber am Sonntag und Montag, wenn ein Arbeitstag folgt. Hier sieht das Gericht nach 22 Uhr die Grenze bei 55 Dezibel. Das Problem dürfte Fürthern vertraut sein – Stichwort Weinfest: Auch hier liegt der Richtwert nach 22 Uhr bei 55 Dezibel, dieser jedoch wird schon überschritten, wenn sich viele Menschen unterhalten, ganz ohne Musik. Nach Berechnungen der Stadt Fürth wurden hier zuletzt 69 Dezibel erreicht.

"Nicht einhaltbar"

Das Verwaltungsgericht Würzburg hat den Organisatoren den Hinweis gegeben, dass die Auflagen für das Fest noch strenger als 2014 (schon damals hatte das Gericht im Eilverfahren bestimmte Einschnitte angeordnet, Main-Echo spricht von einer "Flüsterkerb") ausfallen müssten, damit die Anwohner nicht in ihren Rechten verletzt würden. Sollten die Lärmgrenzwerte nicht eingehalten werden, droht ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro. Ein Risiko, das die Vereinsgemeinschaft nicht tragen will - sie sagte daher die Kerb für heuer ab. "Die Lärmwerte sind nicht einhaltbar", klagte Kahls zweiter Bürgermeister Udo Hammer (CSU) jüngst bei einer Veranstaltung zum Thema in Fürth.

In Kahl will man nun die Politik aufrütteln und dazu bewegen, Ausnahmeregeln für Traditionsveranstaltungen zu beschließen. Dies könnte bei Veranstaltungen wie dem Grafflmarkt oder dem Weinfest helfen, sagt Fürths Rechtsreferent Christoph Maier auf FN-Nachfrage. Der tägliche Kneipenbetrieb - das zweite Fürther Problem - allerdings dürfte ein ganz anderes Thema sein. . .

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