Schamberger: Lebenslänglich für gnadenlosen Humor

20.2.2017, 16:00 Uhr
Schamberger: Lebenslänglich für gnadenlosen Humor

© Foto: Anestis Aslanidis

So viele Zuschauer würden sich Fürths Amtsgerichtspräsident Walter Groß und seine aus Ansbach, Hersbruck und Nürnberg angereisten Kollegen vielleicht auch bei mancher Verhandlung wünschen. Und der Richter, von ars-vivendi-Verleger Norbert Treuheit zur Wandlung des Amtsgebäudes in einen Lesesaal animiert, will künftig öfter die Kultur in Justitias heiligen Hallen einziehen lassen. Wenn dort allerdings Klaus Schamberger auf dem Richterstuhl sitzt, reichen Zusatzlautsprecher im Vorraum nicht aus. Dutzende interessierter Zuhörer mussten wegen Überfüllung bereits eine Viertelstunde vor Beginn der Lesung abgewiesen werden.

Nach einem langen Berufsleben bei der Abendzeitung verspürte Schamberger, wie er mal verriet, einen furchtbaren "Phantomschmerz": Er wollte weiter seine Glossen schreiben, aber es gab keine Abendzeitung mehr. Zum Glück haben die Nürnberger Zeitung und der Straßenkreuzer Platz für seine fränkischen Zeitbetrachtungen gefunden. Sein "Freitagsgschmarri" im Bayerischen Rundfunk (12.50 Uhr auf Bayern 1) bleibt sowieso Kult.

Der "Spezi" muss mit bald 75 einfach weiter machen, weil ihm so viel auffällt an den Charakteren und Verrücktheiten um ihn herum. Auch im Fürther Gericht reicht es ihm nicht, nur die Gerichtsglossen des neuen Buchs vorzulesen. Er hat auch brandaktuelle Themen dabei: Donald Trump als Playmobil-Figur etwa, die unentwegte Frage nach der Payback-Card und die nervenzerrüttenden Gespräche im Arzt-Wartezimmer: "Simmer aweng beim Doktor?"

Das Besondere der Gerichtsglossen dann ist ihre tiefe Menschlichkeit. Es geht hier ja zum Glück nicht um große Gewaltverbrechen wie im "Tatort". Es geht um die kleinen Missgeschicke menschlichen Alltags, die zum Drama ausufern: Da ist der Hundebesitzer, der der Dackel-Schamanin Gerlinde die Gage verweigert. Der angesäuselte Erich, der seine Warnweste im Auto als Notbekleidung trägt. Und der "Waffl-Beck" Horst, der mit seinem Mitteilungsdrang die Wirtshausruhe des Eigenbrötlers Otto so empfindlich stört, dass der ausrastet. All diese Szenen kommen uns Franken nur allzu bekannt vor. Bei Schamberger eskalieren sie meist zu einem absurden Showdown. Der endet dann vor Gericht, wo reuige Sünder um Milde bitten.

Diese schnellen Skizzen aus dem ganz normalen Wahnsinn des Alltags wären in zwei Minuten 30 oder beim Umblättern der Zeitungsseite schon wieder vergessen, würden nur als kleine Aufmunterung des Gefühlshaushalts im grauen Alltag dienen. Das Verdienst von ars-vivendi-Verleger Norbert Treuheit ist es, die Tiefe und Klugheit der Schambergerschen Texte bleibend in Buchform zu pressen.

In "Mein Nürnberg-Buch" und jüngst in "Mein Franken-Buch" wurden schon literarisch herausragende Texte aus mehreren Jahrzehnten zusammengetragen. Mit dem Band "Ich bitte um Milde" haben nun auch 60 Gerichtsglossen ihre dauerhafte Bestform gefunden.

Auf die häufig gestellte Frage, ob die Geschichten denn alle wahr seien, antwortet der Autor klug: "Im Kern ja." Dass die Delinquenten bei Schamberger oft eloquenter wirken als real im Gerichtssaal, das ist die Kunst des Autors. Literatur ist halt oft einfach besser – und damit letztlich wahrer – als die Wirklichkeit. Das gilt natürlich auch für die Bemerkung Schambergers, im "Gelben Löwen" in der Gustavstraße hätten sie jetzt Filz an die Bierkrüge geklebt: "Damit des beim Trinken ned so laut is."

Klaus Schamberger: Ich bitte um Milde, 60 neue Gerichtsglossen, ars vivendi Verlag. 190 Seiten, 15 Euro. Erhältlich in der Geschäftsstelle der Fürther Nachrichten, Schwabacher Straße 106.

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