Leise rieselt die Sanduhr im Stadttheater Fürth

24.11.2017, 17:00 Uhr
Leise rieselt die Sanduhr im Stadttheater Fürth

© Foto: Roland Huber

Warum setzt man sich ein, zwei Stunden lang ins Dunkel eines Zuschauerraums und sieht anderen dabei zu, wie sie ihre Körper auf eine Art und Weise verbiegen, zu der wir bei aller Liebe nicht fähig wären? Im besten Falle tun wir das wahrscheinlich, weil die Verbindung von Tanz und Musik Gefühle in uns weckt, die ansonsten wenig zu melden haben und im Alltag sorgsam unter der Decke gehalten werden. Wer sich das jetzt nicht so recht vorstellen kann, denkt vielleicht mal kurz an Fußball – richtig, das ist so etwa die erhoffte Stimmungslage.

Das Danish Dance Theatre spielt seit seiner Gründung vor 36 Jahren durchaus in einer Top-Liga. Auch in Fürth wird sehr bald deutlich, dass hier hervorragend ausgebildete, beherzte und sehr präzise Tänzerinnen und Tänzer arbeiten, die alles beherrschen, was zeitgenössische Technik verlangt. Die beiden vorgestellten Choreografien von Tim Rushton, der seit 2001 künstlerischer Leiter der Compagnie ist, ernteten bei der Premiere im Stadttheater allerdings bestenfalls angemessen freundlichen Beifall. Eine Applaus-Abmessung, die auffällt. Denn das tanzbegeisterte, verwöhnte Publikum in Fürth kann auch Ekstase demonstrieren, wenn es ans Klatschen geht.

Das Dilemma deutet sich schon früh an. "Firebird", Tim Rushtons 2016er-Einstudierung zu Igor Strawinskys "Der Feuervogel", ist unauffällig, wenn es um choreografische Einfälle geht. In den Vordergrund drängen sich dagegen bald die Ideen, die Johan Koelkjaer und Martin Tulinus für die Bühne entwickelt haben. Drei hohe, fahrbare Blöcke formieren sich immer wieder neu, werden aber vor allem auch zur Projektionsfläche für Videos.

Das wäre völlig in Ordnung, böten die Ansichten von Bäumen, Wäldern und Wolken nicht so denkbar belanglose Motive, deren tieferer Zweck nichts weiter als dekorativ erscheint. Das passt selbstverständlich alles sehr hübsch zu der alten Geschichte, die hier ein wenig anders als gewohnt erzählt wird, ist letztlich aber kaum mehr als schicke Effekthascherei. Getoppt wird dieser Eindruck bloß noch von den lodernden Flammen, die mehrfach projiziert werden – das ist dann einfach nur noch peinlich in seiner Offensichtlichkeit.

Eleganter Fiesling

Die märchenhaften Motive des alten Feuervogels hat Rushton erfolgreich in den Hintergrund gedrängt, und doch dreht sich weiter alles um den ewigen Kampf zwischen Weiß und Schwarz, Gut und Schlecht. Maxim-Jo Beck McGosh tanzt kraftvoll, eine Rächerin eher denn ein mythischer Helfer. Alessandro Sousa Pereira gibt dem Bösen eine ausgesprochen elegante Gestalt und endet aufgespießt an einer der Deko-Wände. Und dann lodern wieder die (Video-)Flammen. . .

Sehr reizvoll ist der Grundaufbau der zweiten Rushton-Choreografie an diesem Abend: "Kridt" (Kreide) bringt eine lange Tafel auf die Bühne, eine Tänzerin beschriftet die Flächen. Nach und nach erscheinen an der Wand die poetischen Bibelworte über die Zeit, die für jedes menschliche Tun im rechten Moment kommt. Das ist eine ansprechende Vorlage, aus der sich völlig folgerichtig die Begegnungen und Bewegungen der Tänzer entwickeln. Eine stimmige, durchdachte Szene, die viel erzählt vom Alleinsein, vom Suchen und Sehnen. Da gibt es wenig zu mäkeln – wäre das Ganze nicht gar so vorhersehbar. Im letzten Bild rieselt es feinkörnig aus dem Bühnenhimmel, einer Sanduhr gleich, die das Leben bemisst. Ein Bild, so vertraut und so wenig mitreißend wie dieser ganze Abend.

Weitere Termine: Freitag, Samstag und Sonntag, jeweils 19.30 Uhr. Restkarten an der Abendkasse.

Verwandte Themen


Keine Kommentare